Herr Heil, hat der Studentenstreik auch die Hochschule für Jüdische Studien erreicht?
Nein, wir werden nicht bestreikt. Unsere Studierenden sind zwar nicht apolitisch, aber sie sind mit den Studienbedingungen, obwohl nicht wunschlos glücklich, größtenteils zufrieden. Es gibt schon ein Gespür dafür, dass wir gut ausgestattet sind. Wir sind eben keine Massenuniversität.
Aber für die gesamtdeutsche Hochschullandschaft war der Bologna-Prozess doch eher schädlich, oder?
Gewiss hat »Bologna« nicht alle Probleme gelöst. Auch ist die Umstellung mit einem enormen Bürokratie- und Kraftaufwand verbunden. Die Sorge, dass die neuen Bachelorstudiengänge sich in der Praxis nicht bewähren, ist grundsätzlich verständlich, zumindest in den Massenstudiengängen. Von Scheitern würde ich aber nicht sprechen. Die Mängel des alten Systems waren ja offensichtlich, denkt man etwa an die vielen orientierungslosen Dauerstudenten oder Studienabbrecher. Der Reformprozess ist auch noch keineswegs abgeschlossen.
Stichwort Studiengebüren. Wie haben sich die auf die Situation der HfJS ausgewirkt?
Positiv. Die Studierendenvertretung ist in die Verwendung fest eingebunden. Wir können mehr Ressourcen im IT-Bereich anbieten und zusätzliche Sprachkurse und Exkursionen fördern, zum Beispiel an Orte jüdischen Lebens in Westeuropa, zuletzt nach Rouen und Troyes, wo der Talmudgelehrte Raschi lebte.
Gibt es bei Ihnen denn eine soziale Abfederung der Studiengebühren?
Es gibt, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Patenschaftsprogramm gemeinsam mit der Universität Heidelberg. Eine gemeinsame Kommission wählt Studierende aus, die in den Genuss dieser Patenschaft kommen. Die HfJS übernimmt zwei Patenschaften pro Jahr, Heidelberger Bürger und Institutionen finanzieren weitere. Grundsätzlich halte ich 500 Euro Gebühren pro Semester für die meisten Studenten aber für tragbar.
Wie sieht Ihre Bilanz nach zehn Jahren Bologna-Erklärung aus?
Für eine kleine Hochschule wie die HfJS war »Bologna« eine Gelegenheit, ihr Profil zu schärfen. Wir haben seit zwei Jahren eine klare und fruchtbare Trennung zwischen gemeindebezogenen und wissenschaftsorientierten Studiengängen. Der alte Magister musste früher alles abdecken. Diese beiden Komponenten stehen manchmal in einem Spannungsverhältnis, aber ich erlebe das als sehr fruchtbar.