Schoa

»Das Leben ist nun mal anstrengend«

»Das Leben ist nun mal anstrengend«

Frank Furedi über die Schoa und die Probleme der zweiten Generation

Professor Furedi, 4.000 Kinder von Holocaust-Überlebenden haben in Tel Aviv die Bundesrepublik Deutschland auf 50 Millionen Euro verklagt (vgl. S. 2). Sie behaupten, dass sie wegen des Schicksals ihrer Eltern an psychischen Störungen litten. Halten Sie die Klage für begründet?
furedi: Ich denke nicht. Es ist sehr bedauerlich, wenn Menschen der zweiten und dritten Generation sich immer noch durch das Schicksal ihrer Eltern oder Großeltern definieren, die echtes Leid erdulden mussten. Sie machen deren Schmerz zu einem dominanten Bestandteil ihres eigenen Lebens. Aber wenn man Menschen glauben lässt, dass die Probleme, die sie im Leben haben, das Ergebnis dessen sind, was ihren Eltern oder Großeltern widerfahren ist, enthebt man sie der eigenen Verantwortung. Wenn solche Menschen beispielsweise von ihren Partnern verlassen werden, überlegen sie nicht, was sie selbst in der Beziehung vielleicht falsch gemacht haben könnten. Sie glauben ernsthaft, dass es an den Deutschen liegt.

Wollen Sie damit sagen, dass es das »Second-Generation-Syndrom« in Wirklichkeit nicht gibt? Viele Psychologen würden Ihnen widersprechen.
furedi: Wir leben in einer Zeit, in der allgemein historische Erinnerung als Auslöser von Krankheit missdeutet wird. Es gibt beispielsweise in Irland Menschen, die glauben, dass sich ihre persönlichen Probleme auf die große Hungersnot des 19. Jahrhunderts zurückführen ließen. Die Briten sind dann schuld. In Australien ist es das schlimme Schicksal der Aborigines vor 200 Jahren. Das ist ein herrschender Trend in unseren Gesellschaften. Es gibt eine regelrechte Industrie, die den Menschen weismachen will, sie könnten ihre Probleme durch Ursachenforschung lösen, statt der Tatsache ins Auge zu sehen, dass das Leben nun mal anstrengend, manchmal auch verwirrend ist.

Manche Kinder und Enkel von Schoa-opfern werden Ihnen Gefühllosigkeit vorwerfen.
furedi: Ich bin selbst Kind von HolocaustÜberlebenden. Aber sich in die historische Erinnerung zu flüchten, löst keine Probleme. Die Betroffenen sollten lieber anfangen, sich zu fragen, was sie für sich tun können, um ihr Leben in den Griff zu bekommen, statt mit dem Zeigefinger anklagend auf die Geschichte zu verweisen.

Mit dem Soziologen an der Universität von Kent sprach Michael Wuliger.

Bundestagswahl

Russlands Außenminister Lawrow lobt AfD und BSW

Es gebe in ihren Äußerungen »viel Vernünftiges«

 14.01.2025

Helsinki

Scholz: Leben der Geiseln muss oberste Priorität haben

Über die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen heißt es, ein Abkommen sei greifbar. Der Bundeskanzler hofft auf einen Abschluss

 14.01.2025

Karlsruhe

Verdacht der Volksverhetzung: Polizei ermittelt gegen AfD

Es geht um ein in sozialen Netzwerken gepostetes »Abschiebeticket«. Die zumindest in Teilen rechtsextremistische Partei überschreitet immer wieder Grenzen

 14.01.2025

Vatikan

Papst verurteilt Massaker der Hamas und kritisiert Israel

Regelmäßig steht der Papst in der Kritik, er habe den Terrorangriff der Hamas auf Israel nicht klar genug verurteilt. In seinem neuen Buch tut er genau das, wirft aber auch Israel vor, Terror zu produzieren

von Severina Bartonitschek  14.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Medien

Medienwissenschafter: Erleben Großangriff auf unabhängigen Journalismus

Der öffentliche Raum leide unter »sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern«

 10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025