von Wolfgang Hettfleisch
Die vergangenen zwei Wochen waren nicht ganz einfach für Daniel Jammer. Eigentlich sollte sich der israelische Fußball-Erstligist Maccabi Netanya, den der Frankfurter Geschäftsmann im vorigen Winter als Eigentümer übernommen hat, in einem hessischen Trainingslager konzentriert auf die neue Saison vorbereiten. Aber mit Ruhe und Konzentration war es zuletzt nicht weit her beim Traditionsklub aus Netanya, der in seiner großen Zeit in den 1970er und 1980er Jahren fünf Landesmeisterschaften gewann. Zum einen machte die Situation in Israel insbesondere jenen Profis die Arbeit schwer, deren Verwandte im Norden leben und dem Bombardement der Hisbollah ausgesetzt sind. Zum anderen kam es während der Saisonvorbereitung in Deutschland zu schweren atmosphärischen Störungen zwischen den Verantwortlichen, die zuletzt im Rauswurf von Sportdirektor Eyal Berkovic gipfelten. Offenbar hatten sich Gäste des Trainingslagers und auch Spieler über das harsche Auftreten des Ex-Nationalspielers beschwert, der nach Ende seiner aktiven Laufbahn erst vor zwei Monaten von Maccabi Tel Aviv gekommen war – mit einigen Profis im Gepäck. Nachdem eine Aussprache, so die israelische Tageszeitung Haaretz, offenbar in einen lautstarken Streit gemündet war, setzte Jammer den Sportchef kurzerhand vor die Tür.
Ein Geldgeber, der dezent im Hintergrund agiert und sich nicht ins Tagesgeschäft einmischt, ist der 40jährige Jammer, der sein Geld in der Luftfahrtindustrie verdient, also offenkundig nicht. Das macht auch sein Auftreten bei den Testspielen der vergangenen beiden Wochen deutlich, die Netanya bevorzugt und mit beachtlichem Erfolg gegen hochkarätige Gegner aus der Ersten und Zweiten Bundesliga bestritt. Als es jüngst in Walldorf bei Frankfurt gegen den Zweitligisten Wacker Burghausen ging, da fieberte der Vereinsboß auf der kleinen Steintribüne mit, verfolgte konzentriert jeden Spielzug, freute sich über jede einzelne gelungene Aktion. Jammer ist auch und vor allem ein Fußballfan. »Als kleiner Junge habe ich jede Woche mit meiner Mannschaft mitgefiebert«, sagt er. Seine Mannschaft, das war die Frankfurter Eintracht. An sie verlor der Fußballverrückte, der selbst in der Jugend bei Maccabi Frankfurt gegen den Ball trat, schon früh sein Herz.
Aber Fußball, sagt Jammer, sei eben nicht nur eine Herzensangelegenheit: »Ich habe ein Sportlerherz, aber auch einen Kopf für die finanziellen Dinge.« Eine Kombination, die zum Einstieg ins Fußballgeschäft geradezu prädestiniert. Weshalb Daniel Jammer vor rund eineinhalb Jahren den ersten Schritt wagte und den slowakischen Zweitligisten FC Senec erwarb. Ein Testlauf? Jedenfalls erwarb der solvente Fußballfan aus Frankfurt für seine 60.000 Euro zwar die kompletten Rechte am abstiegsgefährdeten Verein. Aber das, sagt er, sei »mehr ein virtueller Wert« gewesen. »Es gab keine Assets, keine Spielerwerte, nichts«, erinnert sich Jammer. Aber es gab eine kleine Gruppe entschlossener Macher um den Käufer, die sich mit kleinem Budget und großem Arbeitsethos daran machten, dem in der sportlichen Bedeutungslosigkeit dahindümpelnden Klub zu neuer Blüte zu verhelfen. Inzwischen spielt Senec in der ersten Liga.
Der slowakische Laborversuch hat Daniel Jammer fraglos ermutigt, das erheblich größere Wagnis Maccabi Netanya einzugehen. Freunde und Vertraute rieten allesamt ab. Doch er griff zu, als der finanziell und sportlich angeschlagene Erstligist vorige Saison einen Finanzier und Eigentümer suchte. Als kühles Investment begreift der gebürtige Frankfurter seinen Einstieg in den israelischen Profifußball nicht. »Wenn man ein Geschäft eröffnet, versucht man Geld zu verdienen, um seine Familie zu ernähren«, sagt er, »aber im Fußball ist das höchste der Gefühle, die Sache kostendeckend darzustellen.«
Ist Jammer also ein Altruist? Zumindest klingt er so: »Ich sehe die Aufgabe eines Klubbesitzers darin, die Community zu fördern. Es geht darum, die Leute ein bißchen von ihren alltäglichen Problemen abzulenken. Und Sport hat in Israel eben einen sehr, sehr hohen Stellenwert.«
Bei den Profis aus Netanya klappte das mit dem Ablenken von den alltäglichen Problemen während der zwei Wochen in Frankfurt nur sehr bedingt. »Ich wollte den Jungs zeigen, wie im deutschen Fußball gearbeitet wird«, erläutert Jammer. Doch die Hälfte der Israelis im Team stammt aus Haifa und Umgebung. »Da ist jedes Telefonat, das reinkommt, erst einmal ein Schock. Man weiß nie, was kommt.« Die Belastung, die aus dieser Ungewissheit resultiert, sei den Profis aus Netanya »außerhalb der Trainingseinheiten und der Testspiele sehr stark anzumerken«, sagt Jammer. Das gilt nicht nur für jene, die unmittelbar Anlaß zu Sorge haben. »Wir haben hier 30 Männer, deren Frauen und Kinder auf sie warten. Und die haben ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil sie gerade in Situationen wie dieser zeigen wollen, daß sie für ihre Familie da sind«, weiß Jammer.
Die unklare Situation in der israelischen Liga erschwert die Saisonvorbereitung zusätzlich. Die für den 7. August geplante erste Pokalrunde ist wegen der militärischen Konflikte mit Hisbollah und Hamas in Libanon und Gasa bereits auf ungewisse Zeit verschoben. Auch der eigentlich vorgesehene Zeitpunkt für den Ligastart am 19. August wird kaum zu halten sein. So ist der Aufenthalt in Deutschland ein denkwürdiger geworden – für Fußballer, Betreuer und Offizielle, die sich am Montag auf die Heimreise nach Netanya gemacht haben.
Daß man sich auf der Suche nach einem Quartier für die Saisonvorbereitung für Deutschland entschied, das Land der Täter und ihrer Nachfahren, geriet völlig in den Hintergrund. Daniel Jammer sieht darin nicht zuletzt den Ausdruck wachsender Normalität: »Deutschland hat ja bei der WM ein wunderbares Bild abgegeben. Und wir wurden überall wunderbar aufgenommen und mit Respekt behandelt.«
Der Frankfurter Geschäftsmann wird nun abwarten, welchen Verlauf die Dinge nehmen bei Maccabi Netanya. »Wenn die Mannschaft steht«, sagt er, »ist meine Aufgabe abgeschlossen.« Aber er wird natürlich Dauergast werden auf den Flügen zwischen Frankfurt und Tel Aviv. Daniel Jammer will sich möglichst kein Heimspiel der Gelb-Schwarzen entgehen lassen. So ist das nun mal bei Menschen, in deren Brust ein Fußballerherz schlägt.