Bildungszentrum

»Das Haus ist offen für alle«

von Olaf Glöckner

»Zukunft« ist eines der Lieblingsworte von Rabbiner Yehuda Teichtal, und ganz sicher zählt er in diesen Tagen zu den meistbeschäftigten Berlinern. Der vitale Mittdreißiger telefoniert fast ununterbrochen, be-
rät sich mit Designern und Monteuren, signiert Rechnungen und wirft prüfende Blicke in Flur, Lobby und Gemeinschaftsräume. Teichtal wirkt ein wenig müde und abgespannt, doch die Freude steht ihm ins Gesicht geschrieben: Denn an diesem Sonntag wird das neue Bildungs- und Familienzentrum von Chabad Lubawitsch in der Münsterschen Straße 6 in Wilmersdorf eröffnet. »Vergangenheit ist wichtig, und Erinnerung auch. Aber hier im neuen Zentrum arbeiten wir an der Zukunft des jüdischen Lebens«, erklärt der Rabbiner und fügt gleich hinzu: »Das Haus ist offen für alle Menschen.«
Obwohl an einigen Stellen des hellen Gebäudekomplexes noch emsig gebohrt, montiert und verkleidet wird, erzeugt die Innengestaltung schon jetzt Staunen und Neugier auf mehr. Durch die Vorderfront aus blau-weißem, kristallin gehaltenem Glas – Symbol für Hoffnung und Zukunft des jüdischen Volkes – betritt der Besucher ein Foyer mit einem großen Segment der Jerusalemer Tempelmauer. Natürlich als Nachbildung, aber relativ detailgetreu und aus echtem, ockerfarbenem Jerusalemstein. »Schon beim Eintritt soll die Chance zur inneren Ruhe und Inspiration bestehen«, erläutert Yehuda Teichtal.
Gleich nebenan wurde ein »Tourist Welcome Center« inklusive Judaica-Shop eingerichtet, was den weltoffenen Charakter des Hauses nur unterstreichen kann. An-
dere Teilbereiche sind eher jenen vorbehalten, die sich regelmäßig treffen wollen und sich nach jüdischer Bildung, Gemeinschaft und Kommunikation sehnen.
Mit der im Erdgeschoss integrierten Synagoge haben der deutsch-russische Stararchitekt Sergei Tchoban und Projektleiter Fred Scholz genau jene Doppelwirkung erreicht, die von Anfang an intendiert war: Ein Gefühl von Geborgenheit auf der einen und Feierlichkeit auf der anderen Seite, erzeugt insbesondere durch Wände und Bima aus amerikanischem Nussbaum-Holz, rot gepolsterte Sitze, externe Lichteffekte und eine modern geschwungene Empore. 250 Plätze fasst die Synagoge, und schon jetzt finden hier täglich drei Gottesdienste plus Schiurim statt. Im hinteren Teil hat man an eine kleine Kinder-Synagoge inklusive Spielraum gedacht.
Für das leibliche Wohl der künftigen Besucher werden zwei koschere Küchen und das ebenfalls parterre gelegene Res-
taurant »Le Chaim« sorgen. Hinter dem Restaurant wartet ein großzügiger Garten, wo sich die kleineren Besucher viel bewegen können und auch sollen. Im Keller findet sich eine moderne Mikwe und eine Jugend-Lounge, in den oberen Stockwerken stehen Bibliothek, Mediothek sowie Seminarräume und ein 180 Quadratmeter großer Festsaal mit erhabener Kirschholz-Vertäfelung für Familienfeierlichkeiten bereit. »Es ist unsere Absicht, dass gerade auch Berliner hier ihre jüdischen Familienfeiern abhalten können, die sich sonst teure Saalmieten nicht leisten können«, sagt Yehuda Teichtal.
In Kooperation mit Bibliothek und Mediothek nimmt im ersten Stockwerk eine kleine Akademie ihre Arbeit auf, die unter anderem Kurse zum Erlernen der hebräischen Sprache, zu jüdischen Feiertagsriten, jüdischer Ethik, Tora und Kabbala, aber auch zu alltagsrelevanten Themen anbieten wird. Ein Spektrum also, das sehr unterschiedliches Publikum anziehen dürfte.
Keine Frage: Das jüdische Bildungs- und Familienzentrum in seiner jetzigen Form – mit Reverenz an einige besonders engagierte Donatoren auch »Szloma Albam Haus« und »Rohr Chabad Zentrum« genannt – markiert eine Zäsur in der jüngsten Geschichte des Berliner Judentums. Erstmals seit der Schoa ist eine deutsch-jüdische Einrichtung dieser Dimension fast ausschließlich aus privaten Spenden entstanden. Für Rabbiner Teichtal ein Beweis dafür, dass das Judentum hierzulande an Kraft gewinnt. »Natürlich gab es einige herausragende Spender«, so Teichtal, »auch die Deutsche Klassenlotterie hat sich beteiligt. Besonders erfreulich waren für uns aber die vielen Menschen mit kleineren Beiträgen, und wenn es sich um 10 Euro handelte.«
Im künftigen Chabad-Zentrum werden rund zehn Mitarbeiter beschäftigt sein. Auf rund 30 ehrenamtliche Helfer, so Ye-
huda Teichtal, könne man ebenfalls zurückgreifen: Berliner Juden, die sich insbesondere im sozialen Bereich und in der Nachbarschaftshilfe engagieren. Religion, Bildung, Festlichkeit und Sozialarbeit sollen so fest miteinander verwoben werden.
Wenn am Sonntagmittag um 12 Uhr Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Tel Avivs Oberrabbiner, Israel Meir Lau, das Eröffnungsband in der Münsterschen Straße durchschneiden, der amerikanische Sänger Avraham Fried mit chassidischem Pop und traditioneller Folklore bezaubert und ein Straßenfest für Jung und Alt sich anschließt, wird es an »Masal Tow«-Wünschen ganz sicher nicht fehlen.
Rabbiner Teichtal betont, dass sich das neue Zentrum als »Bestandteil der Berliner Einheitsgemeinde« verstehe und fügt optimistisch hinzu: »Die Zukunft liegt in unseren eigenen Händen, und dieses Zentrum soll nur der Anfang sein.«

Straßenfest zur Eröffnung des Jüdischen Bildungszentrums, Sonntag, 2. September, 12 bis 16 Uhr, Münstersche Straße 6, mit Open-Air-Konzert, koscheren Köstlichkeiten und Kinderattraktionen

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