von Christian Böhme und
Detlef David Kauschke
Abschiede können ganz schön anstrengend sein. Und wenn man fast sieben Jahre lang Israels Botschafter in Deutschland war, dann kann das sogar in Schwerstarbeit ausarten. Shimon Stein ist am Montagnachmittag so ein Schwerstarbeiter. Denn der 58-Jährige muss Händeschütteln. Und wie! Mehrere Hundert Gäste sind der Einladung in seine Berliner Residenz gefolgt.
Shimon Stein hält Hof. Und jeder will dabei sein. Das heißt: Schlangestehen. Zeitweise reicht diese Schlange der Freunde, Weggefährten und Prominenten aus Politik und Kultur bis zum Eingangstor. Geduld haben alle mitgebracht. Denn immerhin gilt es, einem die Reverenz zu erweisen, der lange Zeit fester Bestandteil der Berliner Republik war. Dementsprechend lang und vielfältig ist auch die Liste der Very Important People. Hier eine kleine Auswahl: Angela Merkel, Franz Müntefering, Klaus Wowereit, Kurt Beck, Wolfgang Tiefensee, Klaus Kinkel, Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker, Otto Schily, Friede Springer, Charlotte Knobloch, Maybrit Illner, Sabine Christiansen. Und alle wollen selbstverständlich persönlich begrüßt werden.
So hat Shimon Stein – dunkler Anzug, hellblaues Hemd, gestreifte Krawatte – wirklich alle Hände voll zu tun. Eigentlich mag er diese Defilees nicht. In sieben Jahren und bei genausoviel Empfängen anläßlich von Israels Unabhängigkeitstag konnte er dieses große Händeschütteln vermeiden, sagt er. Aber heute kommt Shimon Stein nicht daran vorbei. Man kennt sich eben, und vielleicht sieht man sich ja auch so schnell nicht wieder. Bei einigen Gästen dauert die Begrüßung ein paar Sekunden. Doch für die meisten nimmt sich der Herr Botschafter mehr Zeit. Ein paar Sätze hier, eine Umarmung und ein Küßchen dort.
Dann ab in Richtung Häppchen, Wein, Bier und Wasser. Der kurze Weg kann allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen. Denn jetzt geht es für die vielen Gäste darum, sich gegenseitig die zahlreichen bekannten und nicht so bekannten Hände zu schütteln. So bilden sich im regennassen Garten und wettergeschützten Haus immer wieder neue, scheinbar bunt zusammengewürfelte Prominentengrüppchen. Helmut Kohl sitzt in großer Runde, zu der sich für ein paar Minuten auch der ehemalige Berliner Gemeindechef Alexander Brenner gesellt. Christina Rau ist ins Gespräch mit Richard von Weizsäcker vertieft, und Kanzlerin Merkel plaudert mit Ex-Außenminister Joschka Fischer und dessen Frau Minu Barati.
Bis Shimon Steins mikrofonverstärkte Stimme für eine fünfminütige Ruhe sorgt. Ankunft und Abschied seien für einen Diplomaten ganz normal, sagt er. Dennoch sei dieser Abschied keine Routine, da die Zeit in Deutschland für ihn der Höhepunkt seiner Laufbahn gewesen sei. Näher will der Chefgesandte darauf nicht eingehen, fasst stattdessen die zurückliegenden Jahre in ein paar Stichworten zusammen, die vielleicht mehr sagen als eine lange Rede: spannend, zufriedenstellend, frustrierend, produktiv, bereichernd und aufklärerisch. Stein dankt diplomatisch den Bundesregierungen, verhehlt aber nicht, dass es oft schonungslos und von ihm aus alttestamentarisch streng zur Sache ging. Deshalb entschuldigt er sich auch bei denen, die er womöglich verletzt hat. Das diplomatische Parkett der deutsch-israelischen Beziehungen ist eben besonders glatt. Davon weiß auch Angela Merkel zu berichten. Sie hatte Stein bei ihrer ersten Begegnung 2001 mit den Worten begrüßt: »Ihr Vorgänger konnte richtig gut Deutsch.« Dafür schämt sich die Regierungschefin noch heute. Merkel gibt auch zu, dass es Stein seinen Gesprächs- und Verhandlungspartnern nicht immer leicht gemacht habe. Doch vielleicht macht gerade das einen guten Diplomaten aus. Und Stein sei ein »richtig guter Botschafter« gewesen, betont die Kanzlerin. Sie verabschiedet Stein im Namen aller anwesenden Freunde mit einem »herzlichen Dankeschön«.
Ein Abschied für immer oder einer auf Zeit? Sie hoffe, sagt die Kanzlerin, ihn in der deutschen Hauptstadt oft wiederzusehen. Denn viele wüßten ja, »dass Shimon Stein einen kleinen Teil seines Herzens vielleicht doch in Berlin verloren hat«.