Manche Politiker können eine Wahl verlieren und erscheinen dennoch als strahlende Sieger. Helen Zille hat dieses Kunststück bei den südafrikanischen Wahlen im April dieses Jahres vollbracht.
Obwohl die von ihr geführte liberale Demokratische Allianz (DA) landesweit nur knapp 17 Prozent aller Stimmen errang und damit weit hinter dem übermächtigen African National Congress (ANC) blieb, der fast Zweidrittel auf sich vereinte, wird Zille von vielen als eigentliche Wahlsiegerin gefeiert. Mit gutem Grund: Schließlich schaffte die ehemalige Bürgermeisterin von Kapstadt etwas, das vor ihr noch niemand geschaffte hatte: Sie eroberte die wichtige Provinz Westkap mit einer absoluten Mehrheit und verdoppelte dazu den Stimmenanteil der DA von 27 auf fast 53 Prozent.
charterflugzeug Seit Anfang Mai regiert die Oppositionsführerin nun das Westkap als Ministerpräsidentin. Für Südafrika ist ihr Triumph ein tiefer Einschnitt: Erstmals in der Geschichte der jungen Demokratie ist der ANC durch den Sieg Zilles in einer Provinz aus der Regierungsverantwortung verdrängt worden. Aber auch auf nationaler Ebene hat die Opposition ihr Ergebnis unter Zille um fast ein Viertel verbessern können.
Zu verdanken hat die Partei dies vor allem ihrer nimmermüden Chefin, die sich mit einer geradezu phänomenalen Energie in den Wahlkampf stürzte und in den letzten Tagen vor der Wahl sogar mit einem Charterflugzeug kreuz und quer durchs Land hetzte.
Ganz allmählich scheint der deutschstämmigen Südafrikanerin dank dieses Einsatzes tatsächlich das fast Unmögliche zu gelingen: das Denken in Rassekategorien zu überwinden. Die Mischlinge, die im Westkap mit rund 50 Prozent die Mehrheit stellen, hat sie bereits für sich gewonnen. Jetzt will die 58-Jährige auch in der schwarzen Wählerschicht Stimmen gewinnen. Dabei hilft Zille, deren Eltern aus Essen und Berlin stammen – und die mit dem Maler Heinrich Zille verwandt ist –, dass sie neben Englisch, Afrikaans und Deutsch inzwischen auch fließend Xhosa spricht. Zur Freude vieler Schwarzer parliert sie auch munter in dieser Sprache.
feindbild Kein Wunder, dass sie beim ANC längst zum Feindbild Nummer eins avanciert ist. Im Kapstädter Township Kayelitsha wurde sie von frustrierten Anhängern der ehemaligen Widerstandsbewegung sogar mit Stühlen beworfen. Der ANC selbst nennt seine schärfste Rivalin halb abschätzig, halb ehrfürchtig stets nur das »GodZille«-Monster, während die ANC-Jugendliga die Bürgerrechtlerin regelmäßig als »Rassistin« beschimpft.
Zille selbst können die vielen Anfeindungen nicht schrecken. Schon als Bürgermeisterin von Kapstadt hat sie zwischen 2006 und 2009 ihre Durchsetzungsfähigkeit bewiesen. Alle von ihren ANC-Vorgängern geschlossenen kommunalen Verträge wurden auf Korruptionsvorwürfe hin abgeklopft. So erfolgreich und effizient war ihre Amtszeit, dass die arbeitswütige Zille im letzten Jahr von der Organisation »City Mayors« zur besten Bürgermeisterin der Welt gekürt wurde.
widerstand Ihre Gegner haben längst bemerkt, dass Zille schon wegen ihrer langen Jahre im Widerstandskampf aus einem besonders harten Holz geschnitzt ist. Der Einsatz für eine gerechtere, offenere Gesellschaft am Kap scheint in der Familie zu liegen: Beide Eltern, die als Jugendliche aus Nazi-Deutschland flüchten, weil sie mit jeweils einem jüdischen Elternteil keine Ariernachweise vorlegen konnten, waren sozial stark engagiert. Schon früh trat die Tochter in ihre Fußstapfen: Im Apartheid-Südafrika enthüllte die junge Journalistin 1977, dass der schwarze Bürgerrechtler Steve Biko keineswegs eines natürlichen Todes gestorben, sondern von der Sicherheitspolizei in der Haft zu Tode geprügelt worden war.
Nach dem Ende der Apartheid hätte Zille deshalb genauso gut beim ANC Karriere machen können, wenn sie nicht ihre Überzeugung davon abgehalten hätte, dass die junge Demokratie am Kap einer starken Opposition bedarf – als Gegenwicht zum übermächtigen ANC. Der sensationelle Sieg am Westkap deutet darauf hin, dass Zille tatsächlich die DA aus der Ecke einer Nischenpartei herausführen und verstärkt für schwarze Wähler attraktiv werden könnte.
Sie selbst sieht ihre jüngsten Erfolge nur als Sprungbrett für neue Aufgaben – und als eine Art Schutzwall für den stark bedrohten Rechtsstaat in Südafrika. »Wenn wir nach Kapstadt nun auch am Westkap unsere Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen, wäre das ein Meilenstein für unsere junge Demokratie«, frohlockt sie. Und hat ihrer DA auch schon das nächste Ziel gesteckt: 2014 ganz Südafrika zu regieren!