Das bewegte Krankenhaus
Jechezkel Singer
ist der neue
Ärztliche Direktor
Immer in Bewegung sein, bloß keinen Stillstand. »Man muss flexibel bleiben«, sagt Jechezkel Singer, der neue Ärztliche Direktor des Jüdischen Krankenhauses Berlin (JKB). Die Medizin entwickele sich auch ständig weiter. Alle Abteilungen sollen ausgebaut werden. Sein Ziel: eine optimale Ausstattung mit allen technischen Neuheiten. Dennoch zählt Singer ältere, herkömmliche Untersuchungsmethoden zu einer umfassenden Diagnostik: Ein guter Arzt müsse bei der Untersuchung eines Patienten »hören, sehen und riechen«. Die Klinik soll auch weiterhin für alle Menschen offen stehen. »Wir wollen ein Kiez-Krankenhaus bleiben.«
Für den 61-Jährigen ist die Berufung zum neuen ärztlichen Direktor des JKB die »Krönung« seiner berufliche Laufbahn. Immerhin behandelt der Internist seit mehr als 30 Jahren seine Patienten im JKB und ist einer der dienstältesten Ärzte in der Weddinger Klinik. Sein Vorgägner, Uri Schachtel, ist in den Ruhestand gegangen.
»Er ist ein jüdischer Arzt, wie er im Buche steht«, sagt Maria Brauner über Jechezkel Singer, die ihn als Patientenfürsprecherin des Krankenhauses schon seit Jahrzehnten kennt. Er sei immer für seine Patienten da, auch über seine normalen Sprechstunden hinaus und lege auch als Ärztlicher Direktor viel Wert darauf, weiterhin die Bewohner des Hermann-Strauss Hospitals zu betreuen. Singer sei ein bescheidener Mensch und halte sich lieber im Hintergrund, beschreibt Maria Brauner ihn.
Geboren und aufgewachsen ist Jechezkel Singer in Tel Aviv. Seine Eltern stammten aus Polen, konnten aber als Kinder emigrieren und lernten sich in Israel kennen. Ein entfernter Onkel überlebte die Schoa im Jüdischen Krankenhaus in Berlin. Als Medizin-Student zog es Singer in die damals noch geteilte Stadt, wo er anfangs bei Verwandten wohnte. Nach Abschluss seines Studiums fand er eine Anstellung im JKB. Ein Wunsch sei in Erfüllung gegangen, sagt er. Mit 34 Jahren wurde er jüngster Chefarzt und spezialisierte sich in den Bereichen Gastroenterologie und Diabetologie.
Die Neugierde nach Deutschland habe ihn damals zu seiner Studienplatzwahl motiviert, betont Jechezkel Singer. Deutschland sei schön und er habe mit den Menschen nur gute Erfahrungen gemacht. Mittlerweile leben auch seine Brüder in der Bundesrepublik. Und auch seine 83-jährige Mutter habe inzwischen eine Wohnung in der Hauptstadt. Sie verbringe mehrere Monate im Jahr in Berlin und die restlichen in Israel.
Jechezkel Singer will sich künftig dafür einsetzen, dass das Krankenhaus einen stärkeren jüdischen Charakter erhält. Er wünscht sich deshalb mehr jüdische Schwestern und Ärzte in der Einrichtung. »Bei gleichen Qualitäten bekommt ein jüdischer Arzt die Stelle, das steht auch so in unseren Statuten«, sagt Singer. Derzeit gebe es neben ihm – »leider« – nur noch einen weiteren jüdischen Mediziner. Aber das werde sich in den nächsten Jahren sicher ändern, sagt er optimistisch. »Die jüdischen Gemeinden werden dank der Zuwanderer größer. Da werden bestimmt auch Ärzte nachkommen«, sagt der Vater von zwei Söhnen. Chris Meyer