Un secret – Ein Geheimnis

Darüber spricht man nicht

von jessica jacoby

Seit einigen Jahren ist in der französischen Filmlandschaft ein interessantes Phänomen zu beobachten. Immer mehr Regisseure und Regisseurinnen, die bislang als Autoren- oder Genrefilmer mit anderen Themen bekannt geworden waren, outen sich als Juden und machen die biografischen Blessuren zum Kinothema, welche die Schoa auch noch in der nachgeborenen Generation hinterließ.
Frankreich hat mit 600.000 Menschen die nach der Ex-UdSSR zweitgrößte jüdische Gemeinschaft Europas. Dass es so lange gedauert hat, bis die Jahre der Vernichtung aus jüdischer Sicht auf die Leinwand gekommen sind, liegt daran, dass die meisten französischen Juden es nach dem Zweiten Weltkrieg vorzogen, eine unauffällige Existenz innerhalb der französischen Gesellschaft zu führen – auch wegen des weiter existierenden Antisemitismus’ im Land. Ein anderer Grund ist wohl, dass es oft sehr lange braucht, bis traumatische Erlebnisse so weit psychisch verarbeitet sind, dass sie künstlerisch gestaltet und einer Öffentlichkeit vorgestellt werden können. Selbst dann bedienen sich Regisseure gern anderer, paralleler Biografien, wie es etwa Roman Polanski in Der Pianist getan hat.
Jetzt hat sich Claude Miller des autobiografischen Romans Un secret von Philippe Grimbert angenommen und ihn verfilmt. Anders als bei Polanski geht es hier aber nicht um das Überleben an sich, sondern um die Folgen. Da sind zum einen das Schweigen und die indirekten Botschaften der Eltern, die in einem Kind Fantasien in Gang setzen, zum anderen das Aufbrechen scheinbar vernarbter Wunden und Schuldgefühle im Alter. Sie bilden in Millers Film die Rahmenhandlung und gleichzeitig die Gegenwartsebene, von der aus der erwachsene Sohn zurückblickt.
Der siebenjährige François wächst in den 50er-Jahren als Einzelkind auf und leidet darunter, die hohen Erwartungen seiner schönen und sportlichen Eltern (Cécile de France und Patrick Bruel), die einem wahren Körperkult huldigen und ihr Judentum verleugnen, nicht erfüllen zu können. Trost sucht er bei einem imaginären, sportlichen großen Bruder und bei Louise (Julie Depardieu), einer jüdischen Freundin der Familie. An seinem 15. Geburtstag erzählt Louise François von dem Geheimnis, das seine Eltern Tania und Maxime verbindet: Beide waren schon einmal mit Anderen verheiratet und waren miteinander verschwägert, François’ imaginärer älterer Bruder hatte real existiert. Sein Tod und der seiner Mutter Hannah (Ludivine Sagnier) während der Schoa stehen im Zusammenhang einer damals verleugneten, aber trotzdem sehr spürbaren Anziehung zwischen Maxime und seiner Schwägerin Tania.
Miller hat die Rollen mit bekannten Darstellern des französischen Kinos besetzt: Cécile de France, Ludivine Sagnier, Julie Depardieu, Mathieu Amalric. Dennoch ist Un secret weit mehr als ein Starvehikel. Miller gelingt es, die verschiedenen Zeitebenen mit cineastischen Stilmit- teln visuell zu übersetzen und damit Grimberts Romanvorlage treu zu bleiben. Wird im Buch die Gegenwart in der Vergangenheitsform beschrieben und alles, was in der Vergangenheit geschah im Präsens, zeigt Miller die Gegenwart schwarz-weiß und gibt der Vergangenheit leuchtende Farben – eine bewusste Absetzung von der filmischen Konvention, Vergangenes, insbesondere die NS-Zeit, in matten Farben spielen zu lassen. Das ist mehr als ein bloßer Kunstgriff: Es entspricht jener Wahrnehmung, die der jüdischen Nach-Schoa-Generation manchmal die Jugendzeit ihrer Eltern mit ihren Schrecken realer erscheinen lässt als die eigene Gegenwart.

New York

UN: Hunderte Kinder seit Scheitern der Waffenruhe in Gaza getötet

Unicef-Exekutivdirektorin fordert die Terrororganisation Hamas und Israel auf, dem humanitären Völkerrecht nachzukommen und Kinder zu schützen

 01.04.2025

Berlin

»Hans Rosenthal erinnert uns daran, dass jüdisches Leben zu Berlin gehört«

Der Regierende Bürgermeister: »Er überlebte die Schoa nur, weil ihn einige mutige Frauen aus Lichtenberg in einer Schrebergarten-Kolonie versteckten«

 01.04.2025

Brandenburg

Beratungseinrichtung meldet mehr rechtsextreme Gewalt in Brandenburg

Der Verein »Opferperspektive« fordert Politik und Gesellschaft auf, entschieden zu handeln

 28.03.2025

USA

Michel Friedman: Trumps Krieg gegen Medien ist unerträglich

Der Publizist warnt vor den Angriffen des US-Präsidenten auf kritische Berichterstattung und akademische Freiheit

 28.03.2025

Bilanz

Beauftragter fordert Geld aus Sondervermögen für Gedenkstätten

Der Beauftragte für Sinti und Roma, Daimagüler, scheidet aus dem Amt. Bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts gibt er noch einige Empfehlungen für den künftigen Umgang mit der Minderheit

von Alexander Riedel  26.03.2025

Bundestag

Alterspräsident Gysi mahnt zu gegenseitigem Respekt

Der Linken-Politiker Gregor Gysi eröffnet die konstituierende Sitzung des neuen Bundestags. Er hat dabei eine ganze Menge zu sagen

 25.03.2025

Westjordanland

Oscar-prämierter Regisseur Ballal laut Augenzeugen von Siedlern verletzt

Anfang März noch stand Regisseur Hamdan Ballal bei der Oscar-Verleihung in L.A. im Blitzlichtgewitter. Nur drei Wochen später wird er laut Augenzeugen zusammengeschlagen

 25.03.2025

Israel

Bezalel Smotrich: 13 Wohnviertel sind nun Siedlungen

Durch die Erhebung zu eigenständigen Siedlungen kann die Regierung finanziell anders fördern

 23.03.2025

Jerusalem

Eklat um Konferenz: Herzog zieht die Notbremse

Israels Staatspräsident will anlässlich die zur Antisemitismuskonferenz geladenen rechtsradikalen Politiker aus Europa nicht empfangen

von Michael Thaidigsmann  20.03.2025