Kürzlich war ich mit meiner Frau in Prag. In dieser Stadt voller jüdischer Touristen wollten wir uns den Besuch der Synagoge nicht entgehen lassen. Im Gemeindezentrum trafen wir auf eine interessante Ansammlung von Menschen aus der ganzen Welt. Nach dem Kiddusch tippte mir jemand auf die Schulter, und als ich mich umsah, war ich sehr erfreut, einen alten Bekannten zu erkennen: Danny.
Danny hatte einige Zeit in den USA gelebt und dort geheiratet. Die Begrüßung seiner Frau war unfassbar euphorisch, und es imponierte mir, wie sehr sie sich anscheinend freute, jemandem zu begegnen, der ihren Mann schon sehr lange kannte. Da sie ein akzentfreies Deutsch sprach und ich einen leichten Wiener Einschlag hörte, hielt ich es nicht für amerikanische Oberflächlichkeit, sondern nahm es sehr ernst. Auch die Einladung, sie in Amerika doch einmal zu besuchen, nahm ich sehr ernst. Das sei bezaubernd und absolut reizend, sagte ich. Diese Euphorie übertrug sich also auch auf mich.
Im Verlaufe des Gesprächs stellte sich allerdings heraus, dass sie Amerikanerin war und lediglich in Wien studiert hatte. Das ließ mich meine Erwartungen etwas herunterschrauben. Wenn ich jeden Amerikaner besucht hätte, der mir gesagt hatte »Ruf mich an, wenn du in den Staaten bist, du kannst bei mir wohnen«, dann könnte ich bequem einen Jahresurlaub in den USA verbringen, wäre aber zugleich der meistgehasste Besucher dieses Landes. Wer meint oder nimmt diese Floskel dort schon ernst? Ich dagegen war vollkommen aufrichtig, als ich beide zu einem Gegenbesuch einlud. »Kommt doch mal bei uns vorbei, wenn ihr in der Nähe seid. An einem Freitagabend wäre perfekt, dann machen wir einen schönen Kiddusch und Oneg Schabbat.«
Meine Frau signalisierte mir, wie wenig sie begeistert war. »Wir machen« würde natürlich bedeuten, dass sie den Großteil vorbereiten musste, während ich mir etwas Schlaues zum Wochenabschnitt überlegte. Nachdem sie gehört hatte, dass die Frau Amerikanerin sei, beruhigte sie sich aber, und wir hatten einen netten Abend in der Prager Gemeinde.
Nach diesem Schabbat verlor ich Danny wieder aus den Augen – und war umso überraschter, als er ein paar Wochen später tatsächlich anrief. Es war ein Mittwoch. Er und seine Frau seien Freitag in der Gegend. Das bedeutete, uns blieb nur der Donnerstag, den perfekten Abend vorzubereiten und es dabei so aussehen zu lassen, als sei das ein regulärer Freitagabend. Bereits Mittwochnacht roch es in unserer Küche nach Schabbat. Donnerstagnachmittag wurden fehlende Dinge eingekauft und kleine Becher organisiert. Donnerstagabend dann rief Danny an – und sagte ab. Reiseroute geändert. Kein Problem. Wir hatten einen perfekten Freitagabend mit gesundheitsgefährdend viel Essen.
Zwei Wochen später rief er wieder an. Diesmal würde es klappen. Wieder war es Mittwoch. Und wieder gingen wir es ein zweites Mal an – und wieder sagte er am Donnerstagabend ab. Als wir das Spiel zum dritten Mal gespielt hatten, sagte ich am Telefon nur noch: »Wir freuen uns«, aber wir bereiteten nichts mehr vor. Er kam auch nicht. Meine Frau und ich haben nun eine Wette abgeschlossen: Ich tippe, Maschiach kommt zuerst, meine Frau tippt auf Danny. Chajm Guski
kiddusch