von Ralf Balke
»Die Idylle in Ein Hod ist geradezu total«, schwärmt Volker Hermes: »Deshalb werde ich meiner Ausstellung hier den Titel ›Unsere kleine Farm‹ geben.« Der junge Maler gehört zu sechs Künstlern aus Düsseldorf, die für zwei Monate in das fünfzehn Kilometer südlich von Haifa an den Ausläufern des Carmel gelegene Dorf gekommen sind. Hier steht ihnen ein Haus mit Studio zum Arbeiten zur Verfügung. Im Gegenzug reisen Künstler aus Ein Hod in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt.
»Seit bald zwanzig Jahren gibt es diese Kontakte schon«, berichtet Margalit Guttman. Die gelernte PR-Fachfrau und Galeristin betreut seit zwei Jahren den Künstleraustausch. »Düsseldorf und Haifa sind seit langem Partnerstädte. 1987 war Haifa auf der Suche nach Räumlichkeiten für Künstler aus Düsseldorf. Mangels geeigneter Studios trat die Stadtverwaltung dann mit uns in Verbindung.« Guttman kümmert sich auf jede nur erdenkliche Weise um ihre Düsseldorfer. Sie macht ihnen nicht nur den Aufenthalt so angenehm wie möglich, sondern hilft auch bei der Vermarktung ihrer Arbeiten. Immerhin verfügt sie über beste Beziehungen zu allen namhaften israelischen Galerien und Museen. »Wir haben Kontakte nicht nur zum Israel Museum, sondern sogar zu Galeristen in Colorado und Lodz«, berichtet Guttman stolz. »Kürzlich erst hatten wir Shlomit Shaked zu Gast. Sie ist Kuratorin einer Ausstellung von Werken der John Lennon-Witwe Yoko Ono in Umm el-Fahm. Ich habe sie mit Volker Hermes bekanntgemacht, und sie zeigte sich sofort sehr an seinen Arbeiten interessiert.«
Ein Hod ist ein echtes Künstlerdorf, mit einem Ruf, der längst über die israelischen Landesgrenzen hinausgeht. Künstler und Galeristen aus der ganzen Welt kommen in den kleinen nordisraelischen Ort, weil sie die informelle und fast familiäre Atmosphäre schätzen. Einst war Ein Hod ein arabisches Dorf. Seine Bewohner wurden während des Unabhängigkeitskriegs 1948 von der israelischen Armee vertrieben, weil sie die alte Schnellstraße zwischen Tel Aviv und Haifa regelmäßig unter Feuer nahmen. Die verlassenen Gebäude von Ein Hod sollten danach zerstört werden. Das brachte Marcel Janco auf den Plan. Der aus Rumänien stammende Maler zählte zu den Begründern der legendären Dada-Bewegung. Er war nicht nur Künstler, sondern auch Architekt und hatte ein Auge für die Schönheit der Landschaft und der alten Häuser. Janco intervenierte bei der Armee und bei Ministerpräsident David Ben Gurion persönlich gegen die Abrißpläne. Mit Erfolg. Das Vorhaben wurde ausgesetzt – vorausgesetzt, Lanco würde es schaffen, das leere Dorf neu zu besiedeln.
»Seine erste Idee, eine Siedlung für Sportler zu schaffen, ließ er mangels Resonanz schnell wieder fallen. Die zweite aber, ein Dorf nur für Künstler zu schaffen, zündete«, berichtet Jorge Hochland, der mit seinem Partner Eyal Rubinstein im Haus des 1984 verstorbenen Marcel Janco wohnt. »1953, am Anfang, waren es sechs bis sieben Künstler, die kamen. Heute leben hier einhundertfünfzig Familien.« Mindestens ein Familienmitglied muß Künstler sein. Das schreibt die Gemeindesatzung von Ein Hod vor. Häuser und Grundstücke dürfen nur dann an Kinder weitervererbt werden, wenn diese selbst auch Künstler sind.
Da jedoch Kunst oft eine brotlose Angelegenheit ist und man Ungerechtigkeiten vermeiden wollte, wird der Begriff Künstler dehnbar gehandhabt. Heute dominiert das lukrativere Kunsthandwerk, es werden Workshops für zahlende Kunden von au-ßerhalb angeboten. Sogar eine Landschaftsarchitektin gilt als Künstlerin. Es gibt ein Dada-Museum und ein weit über die Grenzen des Dorfs hinaus bekanntes Steak-Restaurant. »Die menschliche Perspektive ist Basis für alle Entscheidungen, die unsere Gemeinde betreffen. Sie bestimmt die Atmosphäre in Ein Hod«, resümiert Margalit Guttman. Die Künstler aus Düsseldorf können das bestätigen. Viele kommen immer wieder gerne zurück, auch nachdem ihre »offizielle« Besuchszeit vorbei ist.