von Miryam Gümbel
Am Tag der Europäischen jüdischen Kultur hat sich in diesem Herbst erstmals auch die Israelitische Kultusgemeinde München beteiligt. Die Münchner waren eingeladen, jüdisches Leben an einem Ort voller Leben kennenzulernen. Und wieder, wie schon bei den beiden Tagen der Begegnung nach der Eröffnung im November vergangenen Jahres, standen die Menschen Schlange, um Synagogenraum und Gemeindezentrum einschließlich koscherem Restaurant zu sehen und das vom Kulturzentrum unter seiner Leiterin Ellen Presser konzipierte Programm zu erleben. Religionslehrer Marcus Schroll und Eva Fabian hatten an diesem Tag die Synagogenführungen übernommen. Im Anschluss daran sah sich ein Großteil der Besucher im Foyer des Zentrums um.
Schon Wochen vorher hatten die Mitarbeiter des Kulturzentrums, unterstützt von zahlreichen ehrenamtlichen Helfern, die Bibliothek des Hauses nach Bücherdubletten durchforstet. Diese wurden auf einem Basar angeboten. Viele Hunderte von Büchern zu den Themen Israel und jüdisches Leben warteten nun nach Themengebieten sortiert auf interessierte neue Besitzer. Fast jeder gab dafür eine erbetene Spende, so dass damit nun fehlende Titel für die Bibliothek des Jugend- und Kulturzentrums angeschafft werden können.
Am Infostand gleich neben dem Eingang konnten sich die Besucher über das Programm der kommenden Wochen informieren und unter anderem eine Broschüre über das neue Zentrum erwerben. Information kompakt und kompetent gab es dann am späten Nachmittag und am Abend im Hubert-Burda-Saal: Zunächst referierte Roman Kovar über »Koscheres Essen und Trinken im Judentum«.
Der Autor und Verleger von Judaica und auch Kochbüchern sowie Inhaber einer koscheren Weinhandlung, steht selbstvoller Begeisterung in seiner koscheren Küche. Zudem ist er ein großer Weinkenner. In einem sehr persönlich gehaltenen Vortrag führte er seine Zuhörer tief in die Besonderheiten des Kaschrut ein. Da gab es keine graue Theorie, sondern ein Miterleben – beispielsweise wie er mit dem lange Zeit in München tätigen Schochet Rabbiner Israel Katz zu Bauern in der Umgebung fuhr, um sich dort Ziegen und Enten auszusuchen und sie rituell schlachten zu lassen.
Dass eine koschere Küche auch auf wenigen Quadratmetern gar nicht so schwer zu praktizieren ist, wenn man gewisse Grundregeln einhält, wurde den Besuchern schnell bewusst. Das Beispiel des roten Plastikeinsatzes zum Abwasch von fleischigem und des blauen von milchigem Geschirr wird wohl jedem für alle Zukunft bewusst bleiben. Mancher wird sich jedoch lieber an die Praxis von Kovar halten, niemanden mehr in seine Küche zu lassen, um nichts durcheinander zu bringen. Für alle »Notfälle« gibt es ja dann noch die Mikwe, in der das Lieblingsgeschirr wieder »gekaschert« werden kann, also brauchbar gemacht für die Verwendung unter Berücksichtigung der religiösen Speisegebote. Nicht weniger mitreißend war der anschließende Vortrag des israelischen Arztes, Autors, Journalisten und Publizisten Gil Yaron. Er konzentrierte sich an diesem Abend vor allem auf sein jüngst erschienenes Buch »Jerusalem. Ein historisch-politischer Stadtführer«.
In einem Parforceritt durch mehrere Jahrtausende jüdischer Geschichte riss er mit zahlreichen Bildern und rhetorischer Brillanz seine Zuhörer mit.
Unsentimental, dafür mit entschiedener Eindeutigkeit, zeigte er die Wurzeln im Konflikt der Juden mit ihrer Umwelt auf, die heute auf dem Tempelberg auch baulich ineinander verwoben sind. Mit dem Appell, Jerusalem zu besuchen und sich ein eigenes Bild von Israel zu machen, schloss er seine zum vertiefenden Nachlesen geradezu herausfordernden Ausführungen. Wer wollte, konnte diese dann nicht nur schwarz auf weiß, sondern auch signiert nach Hause tragen.
Doch nicht nur die Gäste zum Europäischen Tag der Jüdischen Kultur kamen an diesem Tag zum Münchner Jakobsplatz. Auch das Direktorium des Zentralrats war an diesem Sonntag dort zusammengekommen. Präsidentin Charlotte Knobloch freute sich, dass sie dessen Mitglieder hier begrüßen durfte und wünschte ihnen für die Arbeit in ihren Gemeinden ein erfolgreiches Jahr. Vor Beginn der »sehr konstruktiven Sitzung«, wie sie nach Abschluss feststellte, führte sie die Gäste selbst durch den Gang der Erinnerung in die Ohel Jakob Synagoge, deren Architektur große Begeisterung auslöste.