von Peter Bollag
Die Schweizer Finanzmetropole Zug ist oft in den Schlagzeilen als Domizil bekannter Firmen. Doch dieser Tage macht der Ort wie jeden Herbst mit einer ganz anderen Attraktion von sich reden: mit einer Laubhütte unmittelbar am Zuger See.
Die Stadt selbst hatte nie eine jüdische Gemeinde, obwohl in den elf Orten des kleinen Kantons mit insgesamt rund 110.000 Einwohnern Dutzende jüdische Familien wohnen. Die meisten orientieren sich nach Zürich oder Luzern. Dort gibt es zwar eine mittlerweile nur noch kleine jüdische Gemeinde, dafür seit einigen Jahren aber eine sehr aktive Chabad-Familie.
Ungefähr 15 Jahre ist es her, da beschloss der Anwalt Josef Bollag, im Garten seiner Kanzlei eine kleine Sukka aufzustellen. Doch mit Platz für zehn Menschen konnte sie keiner größeren Nachfrage gerecht werden – die allerdings bald folgen sollte. »Ich war überwältigt von dem Interesse«, sagt Bollag.
Als er vor einigen Jahren mit seinem Büro direkt an den See zog, ergab sich für ihn die Möglichkeit, eine größere Laubhütte errichten zu lassen. Diese bietet immerhin rund 15 Menschen Platz. Die »Spielregeln« haben sich dennoch nicht geändert: Der Hausherr offeriert die Getränke (auch alkoholische), das Essen bringen die Gäste selbst mit. Damit entfallen auch mögliche Diskussionen über gewisse Kaschrut-Standards. Inzwischen ist die »Sukka am See« derart gut eingeführt, dass Bollag sie auch aufstellt, wenn er – wie dieses Jahr – an Sukkot selbst gar nicht zu Hause, sondern im Ausland ist.
»Was mich am meisten beeindruckt, ist die familiäre Atmosphäre«, meint der Zuger Geschäftsmann Aharon Lipschitz, der die Sukka seit Jahren in Anspruch nimmt. Er habe hier schon viele Leute getroffen, von denen er zuvor nicht wusste, dass sie jüdisch sind. Und weil oft mehrere Geschäftsleute unter sich sind, geht es in manchen Gesprächen in der Sukka auch um Business.
Doch seit Chabad in Luzern ansässig wurde, hat die vorher einzige öffentliche Sukka der Zentralschweiz Konkurrenz bekommen. So lädt Chabad-Rabbiner Chaim Druckman auch in diesem Jahr am 19. Oktober zur großen Chol-Hamoed-Party in die Luzerner Innenstadt. Dieses Ereignis zieht viele Menschen an – obgleich es ein ganz anderes Publikum ist als das in Bollags Laubhütte.
Den Rekord, die höchstgelegene Sukka des Landes und damit wohl auch Europas zu sein, kann allerdings keine der beide Innerschweizer Laubhütten für sich beanspruchen. Dieses Privileg kommt vermutlich der Hütte des koscheren Hotels in St. Moritz zu – sie liegt rund 1.800 Meter über dem Meeresspiegel.