Vielversprechend in mehrfacher Hinsicht klingt in diesem Jahr das Programm der Berliner Jüdischen Kulturtage, die an diesem Samstag (29. August) beginnen. Ob synagogale Musik, Klassik, Jazz, Pop oder Klezmer: Diverse Stars treten auf, die sich international in der »jüdischen Szene« einen Namen gemacht haben. Israelische, amerikanische und deutsche Schriftsteller/innen werden aus ihren neuesten Werken lesen. Und das 90. Jubiläum des Bauhauses ist für die Veranstalter ein Anlass, mit Führungen und Ausstellungen an jüdische Architekten in Deutschland und Israel zu erinnern.
Dass die Synagoge Rykestraße im Prenzlauer Berg, das größte jüdische Gotteshaus in Deutschland, über eine gute Akustik verfügt, hat sich in Künstlerkreisen schon seit einiger Zeit herumgesprochen. Beim Eröffnungskonzert am 29. August singt Azi Schwartz, der als einer der vielversprechendsten jungen Kantoren Israels vorgestellt wird und im Herbst die Stelle des Kantors in der Park East Synagogue in New York antritt. Begleitet wird er von Mitgliedern des RIAS-Kammerchors.
Weltstars Unter der Leitung von Ud Joffe wird eine Auswahl synagogaler Musik zu hören sein. Am Sonntagabend, den 30. August, ist in der Rykestraße dann ein völlig anderer Sound angesagt: Ann, Shaban & Cohen. Die in New York lebende Sängerin Keren Ann beschreiben die Veranstalter als »eine der außergewöhnlichsten Künstlerinnen, die die Musikszene im Grenzbereich zwischen Chanson, Folk, Pop und Rock in den letzten Jahren hervorgebracht hat«. Ihre israelischen Wurzeln habe sie nie vergessen. Gemeinsam mit dem Sänger Shlomi Shaban und dem Jazztrompeter Avishai Cohen gibt das Trio eine europäische Premiere. Außerdem präsentiert Weltmusikstar Yasmin Levy aus Israel am 2. September ihre Songs in Ladino, der Sprache der sefardischen Juden.
Einen Tag später spielt in der Rykestraße die Londoner Band Oi Va Voi, die schon einmal bei den Jüdischen Kulturtagen zu Gast war, Klesmer kombiniert mit Clubsounds. Zu dem neuen Album der Band heißt es in einer Kritik: »Travelling the Face of the Globe wirkt wie Filmmusik zu einem Streifen, den es noch nicht gibt, aber perfekt für das eigene Kopfkino.«
Das Abschlusskonzert gibt der 1981 geborene Klarinettist David Orlowsky, dessen Talent von Klesmer-Altmeister Giora Feidman entdeckt wurde. Ferner tritt der Jazzmusiker Michael Schiefel mit Mendelssohn-Variationen auf. Die Werke des deutsch-jüdischen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy bilden einen weiteren Schwerpunkt der Kulturtage: In einem Sonderkonzert spielen das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig und die isländische Geigerin Judith Ingolfsson unter der Leitung von Vladimir Stoupel.
Turmaufbau Mit diesem Konzert unterstützen die Jüdischen Kulturtage die Rekonstruktion des Turms der Parochialkirche. Nach der umfassenden Sanierung der Synagoge Rykestraße möchte die Jüdische Gemeinde nun ihrerseits ein wichtiges Vorhaben in Berlin fördern. Der künstlerische Leiter der Kulturtage und Direktor des Centrum Judaicums, Hermann Simon, sagt: »Ich denke, es steht uns gut an, das zu unterstützen – sozusagen von Kuppel zu Turm. Es ist mal ganz schön, wenn wir in dieser Stadt nicht nur Nehmende, sondern auch Gebende sind.«
Nach Angaben von Christoph Drescher (Chef der Weimarer kulturdienst, die das Festival leitet) verfügen die Jüdischen Kulturtage in diesem Jahr über einen Gesamtetat von etwa 330.000 Euro. Den Löwenanteil, so Drescher, gibt dabei das Land Berlin mit 255.000 Euro. Die Jüdische Gemeinde steuere 35.000 Euro aus Eigenmitteln bei. Hinzu kämen etwa 30.000 bis 35.000 Euro aus Kartenverkäufen sowie etwa 10.000 Euro von Sponsoren und sonstigen Partnern.
Bei den Kulturtagen kommt auch garantiert jeder auf seine Kosten, der sich für israelische oder »jüdische« Literatur interessiert: Assaf Gavron, Eshkol Nevo, Lily Brett, Johanna Adorjan und Viola Roggenkamp sind im Jüdischen Museum in der Lindenstraße zu Gast. Assaf Gavron stellt dabei seinen gerade auf Deutsch erschienenen Roman »Hydromania« über Wasserknappheit im Nahen Osten vor. Als Moderatorin fungiert Shelly Kupferberg. Ge- meindevorsitzende Lala Süsskind zeigte sich schon im Vorfeld besonders angetan von dem großen Straßenfest nach dem Vorbild des Tel Aviver »Shuk HaCarmel« am kommenden Sonntag vor dem Gemeindehaus in der Fasanenstraße.
Ausstellungen Zur Geschichte der jüdischen Baukunst in Berlin und zum Thema »90 Jahre Bauhaus« werden unter den Mottos »Bauten der Großstadt, Siedlungen und Volksparks der Berliner Moderne« und »Villen und Landhäuser im Südwesten« mehrere Führungen veranstaltet. Ferner sind der Architektin Lotte Cohn und dem Maler Heinz Koppel Ausstellungen gewidmet, die am 30. August im Centrum Judaicum eröffnet werden. Wie in den vergangenen Jahren gibt es für interessierte Besucher am Samstag, den 5. September, auch wieder eine Lange Nacht der Synagogen. Anmeldungen dafür sind bei der Service-Stelle der Jüdischen Gemeinde erbeten. Tickets sind bei Vorverkaufsstellen, der Literaturhandlung in der Joachimstaler Straße sowie online erhältlich.
www.juedische-kulturtage.org