interview
»Brücke und Dienstleister«
Johannes Heil über die Hochschule für Jüdische Studien
Herr Heil, vergangene Woche haben Sie Ihre Antrittsvorlesung als Professor für Geschichte, Religion und Kultur an der Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien (HfJS) gehalten. Der Lehrstuhl, gestiftet von der Alfried-Krupp-von-Bohlen-und-Halbach-Stiftung, ist nach dem früheren Zentralratspräsidenten Bubis benannt. Bedeutet Ihnen das etwas?
heil: Natürlich, es ist eine Ehre und zugleich ein Auftrag. Ich habe Ignatz Bubis immer bewundert, weil er klar Position bezogen und zugleich Brücken gebaut hat. Wir können ihm dauerhaft dankbar sein, und es war nur angemessen, diesen Lehrstuhl ihm zu widmen.
Sie üben das Amt schon seit dem Sommersemester 2005 aus. Wie ist Ihr Fazit nach einem Jahr in Heidelberg?
heil: Ich bin positiv überrascht. Die Vorteile einer kleinen Hochschule, daß man kurze Wege hat, sich kennt, in kleineren Gruppen intensiv mit den Studenten lernen kann, liegen auf der Hand. Auf der anderen Seite war es gar keine Frage, daß ein kleines Team nur funktioniert, wenn sich alle respektieren und verstehen. Genau das ist hier der Fall. Wir sind wirklich ein starkes Team, auch wenn das abgedroschen klingt.
Sie haben an zahlreichen Hochschulen in Europa, Israel und den USA gelehrt. Was macht die HfJS besonders?
heil: Die Vielfalt im Kleinen. Damit meine ich auch die verschiedenen Orientierungen der Studierenden. Gerade für Studenten und Studentinnen, die aus dem ehemaligen Ostblock kommen, hat die Hochschule eine große Bedeutung. Mich beeindruckt, wie ehrgeizig, wie eifrig und zielstrebig gerade diese jungen Leute sind. Sie ziehen andere mit. In den Seminaren wird sehr zielgerichtet diskutiert, manchmal regelrecht lebhaft. In mancher geisteswissenschaftlichen Fakultät an großen Universitäten hat man als Dozent oft Mühe, in den Riesen-Seminaren jeden Studierenden wenigstens einmal im Semester zum Reden zu bewegen.
Ist es ein Nachteil, daß die Studenten die HfJS mit sehr unterschiedlichen Ausbildungszielen besuchen?
heil: In der Tat gibt es hier von Studierenden im Rabbinatsstudiengang bis zu Nebenfächlern in Magisterprogrammen, alles. Es sind also Studierende mit ganz verschiedenen Fachrichtungen und Bedürfnissen. Mir macht das Spaß. Das ist doch auch eine Stärke dieser Hochschule. Wir sind eine reguläre akademische Institution, zugleich Dienstleister für die Gemeinden und bei alledem eine Brücke in die Gesellschaft.
Sie haben als Nichtjude die Bubis-Professur übernommen. Spielt die Religionszugehörigkeit an der HfJS eine Rolle?
heil: Ich sehe es insgesamt positiv, daß das Lehrpersonal hier keine einheitlichen Biographien hat. So können wir unseren Gegenstand, die Jüdischen Studien, in seiner ganzen Vielfalt abdecken. Nach 25 Jahren sind wir noch immer eine junge Hochschule, in der nicht alles in eingefahrenen Bahnen verläuft. Wir befinden uns weiter in einem Prozeß des Wachsens und Gestaltens. Die HfJS hat, so wie sie ist, ein großes Potential, das noch nicht ausgereizt ist.
Das Gespräch führte Tobias Kaufmann.