von Heide Sobotka
Die liberale jüdische Gemeinde Gescher LaMassoret Köln hat beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Synagogen-Gemeinde der Stadt erhoben. Sie will damit einen Rechtsanspruch auf Unterstützung aus Landesmitteln erstreiten. Gescher LaMassoret beruft sich auf den 1993 zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Synagogen-Gemeinde Köln (SGK) ausgehandelten Staatsvertrag. Dieser sehe vor, betont Gescher-Vorstandsmitglied Michael Lawton, daß auch später im Einzugsgebiet der Vertragsgemeinde entstehende jüdische Gemeinden zu unterstützen sind. Gescher LaMassoret, hebräisch Brücke zur Tradition, wurde vor zehn Jahren gegründet und hat heute etwa 100 Mitglieder.
Abraham Lehrer von der Synagogen-Gemeinde ist überrascht und enttäuscht über das Vorgehen von Gescher mitten in den Fusionsgesprächen der beiden Gemeinden. »Warum haben sie nicht vor dem Schieds- und Verwaltungsgericht des Zentralrats geklagt?«, fragt Lehrer. Die Angst, der liberalen Gemeinde könnte ein orthodoxer Rabbiner übergestülpt werden, sei unbegründet, betont er. Man habe sogar schon über die Honorierung einer Teilzeitstelle für einen liberalen Rabbiner sowie für einen Kantor verhandelt. Auch über eigene Räume für die liberale Gemeinde, »die einen deutlichen Fortschritt darstellen gegenüber den Räumen, die Gescher derzeit für Versammlungen nutzt«, habe man gesprochen.
Gescher betont, die Klage sei ein letztes Mittel zur Durchsetzung ihrer Forderungen gewesen. »Wir haben das nicht gern gemacht, aber es ist uns klargeworden, daß wir auf dem Verhandlungsweg nichts erreichen«, sagt Michael Lawton. Seit Jahren bitte man die Synagogen-Gemeinde um Unterstützung. Gescher LaMassoret fühle sich von der Synagogen-Gemeinde jedoch ignoriert. Beim Besuch von Papst Benedikt XVI. im vergangenen Jahr in Köln sei einzig ihr Rabbiner nicht eingeladen worden, sagt Lawton. »Solche Brüskierungen haben die Gespräche während des gesamten vergangenen Jahres geprägt.«
Eine erhebliche Provokation sieht auf der anderen Seite auch Abraham Lehrer in der Verwaltungsklage. »Ich kann nur sagen, wenn es euch leid tut, dann zieht die Klage zurück. Wenn uns jemand mit einer Klage überzieht und das Verwaltungsgericht vorzieht, dann werden wir uns auch zur Wehr setzen«, sagt Lehrer. Die Klage sei ein gewaltiger Rückschritt. In den Gesprächen sei man schon viel weiter gewesen. 70 bis 75 Prozent der Punkte zur Vereinigung der beiden Gemeinden seien bereits einvernehmlich besprochen worden. Man habe auch gemeinsam die Strategie verfolgt, zunächst einfachere Dinge zu klären und zum Schluß die schwierigen. Dann hätten beide Seiten den Druck gehabt, Lösungen finden zu müssen. Keine Annäherung habe man bisher in Friedhofsfragen, das heißt bei der Bestattung nichtjüdischer Ehepartner, gefunden. Nach einer Fusion hätte nach Meinung Lehrers der Verein Gescher LaMassoret keine Funktion mehr. »Der orthodoxe Zweig der Gemeinde hätte ja am Tag der Verschmelzung auch keine eigene Organisationsform«, sagt Lehrer, aber auch das hätte sich seiner Meinung nach klären lassen. »Jetzt sind wir von einer Einigung weit entfernt.«