von Wladimir Struminski
Das Theaterfestival sucht man in Akko vergeblich. Bürgerkriegsähnliche Zusammenstöße zwischen Juden und Arabern erschüttern die Stadt im Norden Israels. Da haben die Veranstalter das traditionelle Bühnentreffen zu Sukkot abgesagt.
Angefangen hat es, als Taufik Dschamal, ein Araber aus Akko, am Jom-Kippur-Abend mit seinem Wagen durch einen jüdischen Stadtteil fuhr. Dschamal und sein Sohn wurden von zornigen jüdischen Jugendlichen mit Steinen beworfen und zur Flucht gezwungen. Schnell und provokativ sei er gefahren, heißt es bei jüdischen Zeugen. Langsam und respektvoll, sagt Dschamal. Mittlerweile hat er sich entschuldigt, am Montagabend wurde er gleichwohl von der Polizei in Gewahrsam genommen.
Am Jom-Kippur-Abend verbreitete sich unter Arabern, die ein Drittel der Bewohner Akkos stellen, schnell das Gerücht, Vater und Sohn seien getötet worden. Sofort hallten aus den Lautsprechern der Moscheen Rufe nach Rache. Hunderte von Arabern fanden sich zur Schlacht mit ihren jüdischen Gegnern ein. Die einen riefen »Bringt die Juden um«, die anderen »Tod den Arabern«. Schnell bot die Stadt ein Bild der Verwüstung: zerstörte Autos, demolierte Geschäfte, Glasscherben und Steine. An den folgenden Tagen gingen die Zusammenstöße weiter. 20 Verletzte sind zu beklagen, 54 Personen, sowohl Juden als auch Araber, wurden festgenommen.
Die Gewaltexzesse von Akko könnten der Beginn von noch Schlimmerem sein. Polizeiminister Awi Dichter stellt sich darauf ein, dass die ethnischen Unruhen auf andere Städte übergreifen. Städte wie Jaffa oder Lod, in denen eine große gemischte jüdisch-arabische Bevölkerung lebt, seien gefährdet. Auch in Galiläa, wo die Araber eine knappe Mehrheit stellen, und im Negev mit einer großer Beduinenbevölkerung seien Ausschreitungen denkbar.
Zur Deeskalation erhielt die Polizei die Anweisung, grundsätzlich nur nichttödliche Mittel gegen Randalierer einzusetzen. Dies ist eine Lehre aus den Ereignissen vom Oktober 2000. Damals wurden bei Ausschreitungen im Norden des Landes 13 arabische Israelis von der Polizei getötet. Das Ereignis belastet das Verhältnis zwischen dem Staat und der arabischen Minderheit bis heute schwer.
Am Montagabend rief Staatspräsident Schimon Peres dazu auf, in Frieden »Seite an Seite zu leben«. In Akko hatten sich unmittelbar nach Beginn der Ausschreitungen der Rabbiner Michael Melchior, Vorsitzender des Erziehungsausschusses der Knesset, und Scheich Ibrahim Nimr Darwish, Gründer der Islamischen Bewegung, zusammengetan, um »im Geist der Versöhnung« zum Bau einer gemeinsamen »Friedenslaubhütte« aufzurufen.
Doch nicht alle tragen zur Beruhigung bei: Esterina Tartman, Knessetabgeordnete der rechten Israel Beitenu, forderte erneut, von israelischen Arabern bewohnte arabische Städte und Landstriche samt ihren Bewohnern den palästinensischen Autonomiegebieten zuzuschlagen. Der arabische Knessetabgeordnete Muhammad Barake sprach hingegen von einem »Pogrom gegen die Araber durch faschistische Banden«, das ihn an »dunkle Tage der Menschheitsgeschichte« erinnere.
Über die Ursachen der Krise wird indes nicht viel nachgedacht. Zu den Ausnahmen gehört Jossi Beilin von der linksliberalen Meretz-Partei. Er beschuldigte die Regierung, nichts für die arabische Bevölke-
rung getan zu haben. Arabische Israelis erwirtschaften ein jährliches Bruttoinlandsprodukt von lediglich 8.000 Dollar pro Kopf – ungefähr genauso viel wie in Thailand, Belize, Aserbaidschan oder Angola. Dagegen bringt es die jüdische Bevölkerungsmehrheit auf 24.000 Dollar pro Einwohner und hat damit weitgehend An- schluss an die Industrienationen gefunden. Der Pro-Kopf-Verbrauch eines israelischen Arabers, so das Zentralamt für Statistik, liegt bei nur 53 Prozent des bei seinem jüdischen Nachbarn verbuchten Betrags.
Solche Zahlen enthalten Sprengstoff für die israelische Gesellschaft. Will die Regierung ihn entschärfen, muss sie nicht nur für bessere Bedingungen arabischer Israelis auf dem Arbeitsmarkt sorgen, sondern auch das Schulwesen und die Infrastruktur in arabischen Ortschaften verbessern.
Neu sind die Forderungen nicht. Im März hatte die Regierung Olmert ein Programm zur Wirtschaftsförderung der arabischen Minderheit beschlossen und zu diesem Zweck sogar eine besondere Behörde ins Leben gerufen.
Ob das – im Unterschied zu allen bisherigen Anläufen – zu einer Verbesserung der Lebensumstände arabischer Bürger führen wird, muss sich zeigen. Vorerst gilt: Auf dem Pulverfass zieht jeder Funken die Gefahr eines Flächenbrandes nach sich. Wie schnell das geht, hat sich jetzt in Akko gezeigt.