philosophie

Botschafter von Weimar

philosophie
Botschafter von Weimar

Literaturwissenschaftler Stéphane Mosès –
ein Nachruf

von Thomas Meyer

Mit guten Gründen weigerte sich Anthony D. Kauders in seinem gerade erschienenen Buch über die »deutsch-jüdische Geschichte der Bundesrepublik«, ein Kapitel über bedeutende Intellektuelle zu schreiben. Es gab und gibt sie, zusammengenommen ergeben sie gleichwohl kein Bild. Der 1931 in Berlin geborene und am 1. Dezember in Paris verstorbene Stéphane Mosès gehörte geistig als einer der Letzten noch der Weimarer Republik an, deren Geistesgeschichte wesentlich eine jüdische war. Natürlich kann sich diese Verortung nicht auf die Lebensspanne, sondern nur auf das Werk beziehen.
Am Beginn seiner Karriere stand eine vergleichende Studie über Jean Paul und Thomas Mann, die Mosès 1972 in Paris publizierte. Doch schon einer seiner ersten Aufsätze, der den Einfluss Oskar Goldbergs auf den Doktor Faustus zum Gegenstand hatte, schlug die Richtung ein, in der sich Stéphane Mosès einen guten Namen schaffen sollte: die Erforschung der deutsch-jüdischen Ideengeschichte im 20. Jahrhundert. Der 1937 nach Französisch-Marokko emigrierte Mosès widmete sich in zahlreichen Aufsätzen und Textsammlungen Sigmund Freud, Franz Rosenzweig, Walter Benjamin, Gershom Scholem und Paul Celan, ohne Goethe und Hölderlin dabei aus den Augen zu verlieren.
Aus diesem Zusammenhang werden zwei Publikationen in Erinnerung bleiben: Seine zunächst 1982 publizierte, drei Jahre später auch in deutscher Sprache vorgelegte Auseinandersetzung mit Rosenzweig und der gemeinsam mit Albrecht Schöne 1986 herausgegebene Sammelband über »Juden in der deutschen Literatur«. Mosès’ Deutung von Rosenzweig gehört zu den Gründungsdokumenten der Wiederbeschäftigung mit dem 1929 verstorbenen Religionsphilosophen. Rosenzweig wurde hier beim Wort genommen, weder prophetisch verklärt noch philosophisch überhöht. Der säkulare Jude Mosès, der jedoch über ein bestimmtes Wissen der Tradition verfügte, folgte nicht den Sirenenklängen des Ideologen Rosenzweig, sondern dessen denkerischer Substanz.
Nicht minder innovativ war das veröffentlichte Ergebnis einer Konferenz zur deutsch-jüdischen Literatur, die 1983 in Jerusalem stattfand. Zwölf lange Jahre hatte der zunächst Komparatistik lehrende, ab 1977 mit dem Aufbau einer Abteilung für deutsche Literatur an der Hebräischen Universität Jerusalem beschäftige Mosès versucht, in Israel und Deutschland Interesse an der Beschäftigung mit der deutsch-jüdischen Literatur zu wecken. Als es dann soweit war – man kann dies in dem bei Suhrkamp erschienenen Tagungsband nachlesen –, war die Erleichterung und die Freude spürbar, sich endlich dem Thema öffentlich reflektierend nähern zu können. Ein Jahr nach der Tagung wurde Mosès mit dem neugeschaffenen Lehrstuhl für deutsche Literatur betraut, ein Amt, das er bis 1997 innehatte.
Ebenfalls seiner Führung wurde das Franz-Rosenzweig-Forschungszentrum für deutsch-jüdische Literatur und Kulturgeschichte an der Hebräischen Universität übergeben, das er bis 1996 leitete. Mit zunehmendem Alter entdeckte er dann die Tora und die klassische Kommentarliteratur. Stéphane Mosès, der eng mit dem Berliner Zentrum für Literaturforschung kooperierte, war bis zuletzt ein glaubhafter Botschafter dessen, was einmal mit Recht deutsch-jüdische Kultur hieß.

New York

USA blockieren Gaza-Resolution, Israel bedankt sich

Israels UN-Botschafter Danon: »Resolution war Wegbeschreibung zu mehr Terror und mehr Leid«

 21.11.2024

Uni Würzburg

Außergewöhnlicher Beitrag

Die Hochschule hat dem Zentralratspräsidenten die Ehrendoktorwürde verliehen

von Michel Mayr  20.11.2024

Hannover

Biller und Gneuß erhalten Niedersächsischen Literaturpreis

Der Nicolas-Born-Preis wird seit dem Jahr 2000 zu Ehren des Schriftstellers Nicolas Born (1937-1979) verliehen

 20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024

Ehrung

Josef Schuster erhält Ehrendoktorwürde der Uni Würzburg

Seine Alma Mater ehrt ihn für seine Verdienste »um die Wissenschaft und um das kirchliche Leben«

von Imanuel Marcus  19.11.2024

Frankfurt am Main

Tagung »Jüdisches Leben in Deutschland« beginnt

Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, nimmt teil

 18.11.2024

Libanon

Israelischer Angriff auf Beirut - Sprecher der Hisbollah offenbar getötet

Die Hintergründe

 17.11.2024

USA

Wer hat in Washington bald das Sagen?

Trumps Team: Ein Überblick

von Christiane Jacke  17.11.2024

Madoschs Mensch

Wie eine Katze zwei Freundinnen zusammenbrachte – in einem Apartment des jüdischen Altersheims

von Maria Ossowski  17.11.2024