Am 2. Oktober ist wieder einmal Wahltag in Bosnien und Herzegowina. Seit den ersten Nachkriegswahlen 1996 sind über 25 Jahre vergangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte seit 2009 achtmal im Sinne von Klägern, die gegen den Staat vor Gericht gezogen waren.
Bosnien diskriminiere alle 17 nationalen Minderheiten im Land, da die Verfassung einen ethnischen Proporz zugunsten der drei »konstituierenden Völker« – Bosniaken, Kroaten und Serben – festschreibe. Somit darf ein Jude nicht für die Präsidentschaft kandidieren, ein Roma nicht für das Oberhaus des Parlaments.
Bosnien diskriminiert alle 17 nationalen Minderheiten im Land, da die Verfassung einen ethnischen Proporz der Bosniaken, Kroaten und Serben festschreibt.
Auch dieses Jahr wird sich daran nichts im Sinne der sich als »Bürger« Bosniens definierenden Kläger ändern, wie dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Jakob Finci, oder dem der Roma-Gemeinschaft, Dervo Sejdic. Denn für die in den Institutionen im Verhältnis zu ihrer Anzahl exorbitant überrepräsentierten Vertreter der Neun-Prozent-Partei HDZ (Kroatische Demokratische Union) gibt es offenbar nichts, was deren Machthunger stillen könnte.
Gemengelage In dieser hochbrisanten politischen Gemengelage hat sich der deutsche Hohe Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien, Christian Schmidt, die HDZ-Sache zu eigen gemacht. Anstatt auf die Umsetzung der europäischen Gerichtsurteile hinzuarbeiten, ignoriert er diese.
Nach einer Rüge tauschte der israelische Ministerpräsident Yair Lapid am 24. August den Botschafter Israels in Albanien aus, der auch für Bosnien zuständig war. Hintergrund ist ein Unterstützungsschreiben des Botschafters für HDZ-Chef Dragan Covic. Vorausgegangen war Covics Besuch in Jerusalem. Dass er nach seiner Rückkehr in Mostar auf dem dortigen Soldatenfriedhof Mitglieder der faschistischen kroatischen Ustascha-Armee von Hitlers Gnaden ehrte, ging Lapid wohl zu weit. Zudem kritisierte Jakob Finci die Unterstützung des Botschafters für die HDZ und Covic scharf.
Der Fokus sollte nach den Wahlen auf der Umsetzung der Straßburger Urteile liegen, damit eines Tages eine »Bürgerin« oder ein »Bürger« Bosniens Präsident werden kann, gleich welcher Konfession oder Ethnie er oder sie angehört.
Der Autor war von 1999 bis 2016 für die EU und die OSZE in Bosnien-Herzegowina.