Atheistisches Kinderbuch

Böser Rabbi, grausamer Gott

von Katrin Diehl

Damit ein Buch, Film oder Computerspiel von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert wird und nur noch an Erwachsene verkauft werden darf, muss es schon ziemlich harter Tobak sein: Hardcore-Pornografie, Naziliteratur oder extreme Gewalttätigkeit. Kinderbücher waren bisher noch nie darunter. Genau das könnte aber jetzt dem im Aschaffenburger Alibri-Verlag erschienenen Bilderband Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke bevorstehen. Das Bundesfamilienministerium in Berlin hat offiziell beantragt, das 20 Seiten dünne Büchlein auf den Index zu setzen, weil dort »die drei großen Weltreligionen Christentum, Islam und das Judentum verächtlich gemacht« würden und »insbesondere Text und Abbildungen des Buches antisemitische Tendenzen aufweisen.«
Das sehen Autor, Illustrator und Verlag naturgemäß anders. Der Antisemitismusvorwurf sei »ein fadenscheiniger Vorwand, um Religionskritik aus den Kinderstuben zu verbannen«, so Michael Schmidt-Salomon, der, wie der Verlag auf seiner Homepage mitteilt, »aufgrund seines jüdisch klingenden Namens selbst seit Jahren Zielscheibe antisemitischer Propaganda« sei. Nur »das orthodox-religiöse Judentum« werde kritisiert, »jene ultraorthodoxen Wirrköpfe ..., die meinen, das Alte Testament ... wörtlich nehmen zu müssen.« Das aber könne schon deshalb nicht antisemitisch sein, weil »die allermeisten Juden progressiv, wenn nicht gar säkular denken.«
Schmidt-Salomon, Jahrgang 1967, ist, wie der Verlag mitteilt, »Schriftsteller, Philosoph und Musiker« sowie Vorstandssprecher der »Giordano-Bruno-Stiftung«, die sich die »Förderung des evolutionären Humanismus« auf die Fahnen geschrieben hat. In anderen Worten: Er ist professioneller Atheist. Atheisten haben ein Problem: Sie müssen sich über die Religionen definieren, die sie ablehnen. Je abstoßender die dargestellt sind, desto attraktiver die eigene Position. Genau das versucht Schmidt-Salomon in seinem Bilderbuch zu tun, tatkräftig unterstützt von dem Illustrator Helge Nyncke.
Der Titel des Buches – Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel – liest sich zunächst kindgerecht harmlos. Man könnte ihn sich selbst in einer christlichen Buchhandlung denken. Passend dazu auch das vor Nettigkeit strotzende Titelbild in den süßlichen Farbnuancen eines Regenbogens. Es zeigt ein putziges kleines Ferkel und einen kleinen Igel im »Fisher Price«-Plastikspielzeugstil. Auf Kinder wirkt so etwas durchaus anziehend. Regenbogenfarben leuchtet auch das Plakat, das Ferkel und Igel eines Tages an ihrem Haus finden. »Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas!«, wird da behauptet. Sie kennen Gott nicht, ziehen los, um das zu ändern und landen auf dem »Tempelberg«. Riesig groß stehen hier dicht an dicht Synagoge, Kirche und Moschee. Ein Rabbiner erscheint auf der Bildfläche. Er wirkt gereizt, aggressiv, fast psychotisch, führt sich in einer Weise auf, die an Primitivität kaum zu überbieten ist. In harschem Ton verwehrt er Ferkelchen und Igelchen den Zu-tritt zur Synagoge, da keiner von beiden eine jüdische Mutter vorzuweisen hat. Von Seite zu Seite gerät der Rabbiner immer mehr in Rage. Mit zusammengebissenen Riesenzähnen verkündet er von seinem allmächtigen, zürnenden Gott, der bei der Sintflut »alle Menschenbabys, alle Omas und alle Tiere« vernichtet hat. Die Illustration dazu lässt keine Ambivalenz zu: Damenschuhe, Kindergummistiefel und ein rosa Schnuller schwimmen im Wasser.
Ferkelchen und Igelchen nehmen Reißaus. Aber beim christlichen Bischof – im Buch als »Menschenfresser« bezeichnet – und dem muslimischen Mufti ergeht es ihnen kaum besser. Schließlich kommt es zu einer Keilerei zwischen den Religionen. Man sieht, wie der Rabbiner versucht, den Bischof mit einer Torarolle zu ersticken, den Mufti stampft er zu Boden. Zu guter Letzt ein kommt Bild mit vielen Menschen, großen, kleinen, dicken, dünnen und alle nackt. Auch der Rabbiner. »Rabbis, Muftis und auch Pfaffen sind wie wir nur nackte Affen.«
Soll das aufklärerisch sein? Oder war da jemand auf der Suche nach einem Skandal, nach einer Art Karikaturenstreit, nach ein bisschen Aufmerksamkeit? Die haben Michael Schmidt-Salomon, Helge Nyncke und der Alibri-Verlag jetzt bekommen.
Als Kinderbuch taugt Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel jedenfalls nicht. Die Plattheit, die sich durch das ganze Buch zieht, ist eine Beleidigung der kindlichen Intelligenz. Es klärt nicht auf, sondern tut genau das, was die Autoren den Religionen vorwerfen: Es macht seinen jungen Lesern Angst. Das gilt vor allem für die Illustrationen. Nichts bleibt Kindern so lange im Kopf wie beängstigende Bilder dieser Art. Und von Angst zu Hass ist es nicht weit.

michael schmidt-salomon, helge nyncke: wo bitte geht’s zu gott? fragte das kleine ferkel
Alibri, Aschaffenburg 2007, 20 S., 12 €

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025

Weimar

Historiker Wagner sieht schwindendes Bewusstsein für NS-Verbrechen

Wagner betonte, wie wichtig es sei, sich im Alltag »gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Muslimfeindlichkeit und gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« zu engagieren

 07.04.2025