Von Jessica Jacoby
Adolf Burger ist ein Mann mit einer Mission. Auch mit seinen inzwischen fast neunzig Jahren tritt er immer noch regelmäßig an Schulen in Tschechien und Deutschland auf und berichtet dort Jugendlichen über die Schoa. Erinnerung bewahren ist seit mehr als 60 Jahren Burgers Metier. Als er 1945 aus dem KZ Ebensee befreit wurde, lieh er sich als Erstes eine Kamera, um zu dokumentieren, was um ihn herum geschehen war. Es folgten Bücher und ein Dokumentarfilm. Aus dem gelernten Drucker wurde ein Historiker und Journalist.
Jetzt ist Burger, der als junger Mann in seiner slowakischen Heimat erst beim linkszionistischen Haschomer Haschair, später bei den Kommunisten aktiv war, auf seine alten Tage so etwas wie ein Filmstar geworden. Der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky fiktionalisiert in seinem Film Die Fälscher, der diese Woche in die Kinos kommt, Burgers Erlebnisse im KZ Sachsenhausen. Er gehörte dort zu 144 meist jüdischen Häftlingen, die unter strengster Geheimhaltung und relativ guten Haftbedingungen Pfund- und Dollarnoten fälschen mussten, mit denen die Nazis die Kriegswirtschaft der Alliierten destabilisieren wollten. Blüten oder Tod, lautete der Befehl der SS. Die Häftlinge taten dennoch ihr Bestes, den Auftrag zu sabotieren. Darüber hat Adolf Burger ein Erinnerungsbuch geschrieben, Des Teufels Werkstatt, das Stefan Ruzowitzky als Basis für seinen Film diente. Burger, im Film von August Diehl porträtiert, war bei der gesamten Produktion dabei und sorgte dafür, dass die Fakten stimmten.
Im Mittelpunkt von Die Fälscher steht jedoch nicht Adolf Burger, sondern sein Mithäftling und Freund Salomon Smolianoff, der im Film Sorowitsch heißt und hinreißend von Karl Marcovics gespielt wird. Sorowitsch ist in der Gruppe jüdischer und politischer Gefangener der einzige Profi: Ein erfahrener Fälscher und Berufsverbrecher, aber auch ein anständiger Kerl, der viel riskiert, um gefährdete Kameraden zu retten. Dabei wird er zum Glück nicht moralisch »geläutert«, sondern bleibt seiner kriminellen Ader treu. Wunderbar die Szene nach der Befreiung, als Sorowitsch heimlich aus dem KZ mitgenommenes Falschgeld in Monte Carlo im Kasino verzockt hat. Er tanzt mit einer Frau, die er am Vorabend kennengelernt hat, am Mittelmeer.»Jetzt bist du Dein ganzes Geld losgeworden«, sagt sie zu ihm. Er: »Na und? Dann drucken wir eben neues.« Allein wegen dieser Szene ist der Film unbedingt sehenswert.
Leider hat sich Ruzowitzky nicht darauf beschränkt, eine spannende wahre Geschichte zu erzählen, sondern hat darüber hinaus versucht, auch ein Ideendrama zu inszenieren. Das geht schief. Der Regisseur stellt seinem kriminellen Sympathieträger Sorowitsch einen Adolf Burger gegenüber, der die höhere politische Moral vertreten muss. Und wenn Agitation und Propaganda nicht ausreichen, fliegen – platter und verfälschender geht’s wirklich nicht – zwischen den beiden die Fäuste. In Wirklichkeit war das Verhältnis zwischen den beiden ganz anders, erzählt Adolf Burger: Da zeichnete zum Beispiel in der KZ-Fälscherwerkstatt Smolianov seinen Freund und schenkte ihm das Portrait. Doch Burger konnte sich nicht freuen: »Die werden uns mit Sicherheit umbringen, sobald sie uns nicht mehr brauchen, wir werden das hier nicht überleben.« Smolianov darauf: »Das kann man nie wissen.« Diese – wahre – Szene charakterisiert das unterschiedliche Lebensgefühl der beiden Hauptfiguren perfekt. Im Film ist sie leider nicht zu sehen.
Hinzu kommt, dass August Diehl als Adolf Burger mit seiner Rolle völlig überfordert ist und offenbar nicht anders kann, als den Juden im Film bis zur Unkenntlichkeit zu »arisieren.« Die Frage, ob er sich in der Filmfigur wiederfinde, beantwortet der reale Adolf Burger denn auch mit einem klaren »Nein«. Aber weil er ein höflicher und völlig uneitler Mensch ist, fügt er gleich noch hinzu, dass das ihm auch nicht wirklich wichtig sei. Für ihn ist der Film vor allem eines: Eine Möglichkeit, einem breiten Publikum zu berichten, was in Sachsenhausen und anderen KZs geschah. Darauf kommt es ihm an. Adolf Burger ist eben ein Mann mit einer Mission.
P. S. Zuletzt noch eine gute Nachricht: Burgers ebenso spannenden wie erschütternden Erinnerungen Des Teufels Werkstatt werden demnächst neu aufgelegt.