Steinbruch

Blöcke für den Tempel

Inmitten eines ultraorthodoxen Viertels in Jerusalem hat die Antikenbehörde vor dem Neubau eines Wohnhauses einen Teil des riesigen Steinbruchs freigelegt. Von hier soll König Herodes um das Jahr 20 v. u. Z. die riesigen Steinquader für den Neubau des Tempels bezogen haben. Besonders eindrucksvoll kann man die durchschnittlich fünf bis zehn Tonnen schweren Stein-
blöcke an der Klagemauer bewundern.
In dem innerhalb von zwei Wochen freigelegten Steinbruch sind noch die Rillen zu sehen, die rund um die Steine ge-
meißelt worden sind, ehe sie mit eisernen Keilen ausgelöst und auf Holzrollen, von Ochsen oder Kamelen gezogen, wegtrans-
portiert worden sind. »Die Hightech der römischen Zeit war die Fähigkeit und Technik, mit besonders großen Steinquadern umzugehen«, sagte Ofer Sion, 48-jähriger Archäologe.
Die im Steinbruch zurückgebliebenen Negativ-Abdrucke der herausgebrochenen Steine entsprechen exakt den Maßen der Riesenquader an der Klagemauer: 4 Meter lang, 2,5 Meter breit und etwa 1,25 Meter hoch.
Der typische Jerusalemer Kalkstein be-
stehe aus zusammengepressten Meeresablagerungen, sagt der Archäologe. Nur die oberste Steinschicht, Millionen Jahre lang von der Sonne gehärtet, konnte als Baumaterial für den Tempel verwendet werden. Schon in fünf Metern Tiefe sei der Kalkstein so weich, dass er dem enormen Gewicht der 70 Meter hohen Umfassungsmauer des Tempelbergs nicht stand-
gehalten hätte »und geradezu geschmolzen wäre«.
Die beiden gefundenen Münzen aus der Hasmonäerzeit (etwa ab 150 v. u. Z.) seien für die Datierung des Steinbruchs »un-
nütz«, meinte Sions Mitarbeiter Yehuda Ra-
puano, ein ausgewiesener Experte. Auf ei-
nem Tisch liegen Tonscherben aus der Zeit des Königs Salomon. Doch die größte Menge stamme aus der römischen Zeit, also des Königs Herodes, sagt Rapuano.
Zwei Wochen lang seien etwa 100 Lastwagenladungen Erdreich abtransportiert worden. Jetzt ist die Grabung abgeschlossen. Die Spuren der Steinmetze des Kö-
nigs Herodes werden bald einer Tiefgarage unter einem neuen Wohnhaus weichen. »Man kann nicht alles bewahren, was wir entdecken«, sagt Sion. Ulrich W. Sahm

Kultur

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