von Constanze Baumgart
Nein, zu übersehen ist das neue Begegnungszentrum der Kölner Synagogen-Gemeinde in Chorweiler wirklich nicht. Leuchtend blau liegt das kleine Gebäude am Tag der Einweihung in der Frühlingssonne. »Der Kölner Norden hat jetzt ein jüdisches Zuhause«, sagte Vorstandsmitglied Ronald Graetz mit Blick auf die Lage des Kölner Stadtteils. Rund 800 der über 5.000 Kölner Gemeindemitglieder leben hier, etwa 80 Prozent von ihnen kommen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Schon seit acht Jahren bietet die Sozialabteilung der Gemeinde Sprechstunden vor Ort an. Die Synagogen-Gemeinde hat den Anspruch, auf ihre Mitglieder zuzugehen – und das auch in einem ganz wörtlichen Sinne: »Wir gehen dorthin, wo unsere Gemeindemitglieder leben«, begründet Graetz die Entscheidung für das Begegnungszentrum in diesem Vorort.
Als die katholische Kirchengemeinde Sankt Johannes XXIII. im Rahmen eines Sparprogramms einige ihrer Räume verkaufen musste, entstand die Idee, dort das neue jüdische Begegnungszentrum aufzubauen. Der gute persönliche Kontakt zu Pfarrer Markus Hoitz von der Chorweiler Gemeinde und zur katholischen Kirche in Köln ebneten den Weg. Die Finanzierung stemmte die Synagogen-Gemeinde mit finanzieller Unterstützung von Stadt und Land, aber auch mit Hilfe zahlreicher Spenden von Gemeindemitgliedern.
Rund zwei Jahre dauerte es vom Entschluss, in Chorweiler fest vor Anker zu gehen, bis zur Einweihung. Rund 120 Gäste waren am vergangenen Freitag dabei, als Gemeinderabbiner Yaron Engelmayer die Mesusa anbrachte. Unter ihnen auch der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet (CDU) und Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU).
Der NRW-Integrationsminister zeigte sich erfreut, dass »jüdisches Leben in Deutschland wieder selbstverständlicher« geworden sei. Die Einweihung des Begegnungszentrum, das von seinem Ministerium bezuschusst wurde, nannte Laschet einen »Anlass wahrer Freude«. Chorweiler sei »einer der multikulturellsten Orte in Köln«.
Der Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) nannte es eines seiner zentralen politischen Anliegen, »dass sich die jüdische Gemeinde in Köln wirklich heimisch fühlen kann«. Er freute sich darüber, dass die Gemeinde diese Heimat mitgestalte.
Die vom Düsseldorfer Architekten Avi Spievak gestalteten lichten und modernen Räume bieten einem Synagogen- und Versammlungsraum ebenso Platz wie den etwa zwölf Mitarbeitern – Festangestellte, Ehrenamtler und »Ein-Euro-Jobber«. In den Räumen des Begegnungszentrums befinden sich Beratungsbüros und eine Bibliothek mit deutscher, russischer und hebräischer Literatur. In einem großen Versammlungsraum können Gottesdienste gefeiert werden.
Auch das Integrationsprojekt »Begegnung im Stadtteil« findet hier seinen Platz. In einem Stadtteil wie Chorweiler, von dem Minister Laschet sagt, es sei »einer der multikulturellsten Orte Kölns, aber auch einer der schwierigsten«, ist das be- sonders wichtig. Menschen aus 100 Nationen und unterschiedlichster Religionen leben hier auf engem Raum zusammen.
So ist auch das neue Begegnungszentrum auf der einen Seite flankiert von der katholischen Kirchengemeinde und von der evangelischen Gemeinde auf der anderen Seite. Der Dialog zwischen den Religionen beginnt hier als tägliches Gespräch mit Nachbarn. »Jeder geht auf dem Weg zu seinem Gemeindezentrum automatisch an denen der anderen vorbei«, erläuterte Graetz. Interreligiöse Projekte liegen der jüdischen Gemeinde in Chorweiler auch besonders am Herzen.
Die Gemeinde bietet an, die Mitglieder gestalten – so könnte man das inhaltliche Konzept des Begegnungszentrums be- schreiben. Das Angebot reicht von Gottesdiensten, Deutsch- und Konversationskursen »mit besonderer Berücksichtigung jüdischer Religionsinhalte« bis hin zu Bewerbungstrainings. Viele der Gemeindemitglieder in Chorweiler sind arbeitslos: fehlende Sprachkenntnisse, zu hohes Alter und keine deutsche Ausbildung seien die wesentlichen Gründe. Und das, obwohl viele der Betroffenen wegen ihrer guten Ausbildung geradezu »Greencard-würdig« seien.
Graetz nutzte die Anwesenheit der Kommunalpolitiker zu einem Appell an den Integrationsminister, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu erleichtern und damit die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Auch das »blaue Haus« wird dazu beitragen.
Rabbiner Engelmayer ist bereits oft gefragt worden, warum das neue Begeg- nungszentrum blau sei. Seine schlüssige Erklärung: Die Farbe erinnere an das Blau, das ursprünglich einmal die Zizit, die Schaufäden, hatten. Diese wiederum erinnerten an das Blau des Meeres, des Himmels und damit letzten Endes an Gott. Und so unterstützt die Farbe des Hauses die Arbeit des Rabbiners, möchte er doch gerade die russischsprachigen Gemeindemitglieder »zu ihren Wurzeln zurückführen«.
Mit dem Begegnungszentrum in Chorweiler hat die Synagogen-Gemeinde nun vier Standbeine: die Roonstraße, das Elternheim in Elberfeld und die Begegnungszentren in Porz und Chorweiler.