von Sivan Wüstemann
Voller Stolz inspiziert Alon Kaplan die Pflanzen. Schaut unter die Blätter, prüft die Früchte. Die zwei Meter hohen Ranken hängen voll mit kleinen Gurken, dunkelgrün und glänzend, vor allem aber schmackhaft und gesund. In dem kleinen Gewächshaus an einem Schotterweg von Pardes Channa bei Hadera ist alles rein biologisch. Kein Gift, kein chemischer Dünger, keine Hormone dürfen an Kaplans Produkte. »Das Gemüse geht gut, ich komme an manchen Tagen kaum mit dem Ernten hinterher«, berichtet er enthusiastisch. Bio boomt. Wo einst gewöhnliche Milch und Honig flossen, muss es jetzt ökologische Milch und organischer Honig sein.
Der biologische Anbau macht derzeit etwa zwei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Produktion mit einem Exportanteil von 32 Millionen Dollar jährlich aus. Im vergangenen Jahr stiegen die Ausfuhren um 70 Prozent – und der Trend geht weiter steil nach oben. Das meiste geht in die USA, nach Großbritannien und Deutschland. Mit einer Steigerung von bis zu 30 Prozent jährlich ist die Biobranche Israels Wachstumsmarkt Nummer eins.
Die Bewohner des Kibbuz Har Duf wundert das nicht. Schon vor Langem ließen sie verlauten, dass Bio weder kurzzeitiger Hype noch vorübergehende Alternative, sondern das Essen der Zukunft sei. Har Duf ist Marktführer bei ökologischen Speisen und Getränken. Mit einem immer breiter werdenden Sortiment von Obst und Gemüse über Pasta, Reis bis zu Sojamilch und Käse sind sie heute in fast allen Supermarktketten vertreten und treffen genau den Zeitgeist der bewusster werdenden Menschen im Land.
Etwa 400 Israelis haben sich der anderen Landwirtschaft verschrieben und bauen auf mehr als 7.000 Hektar an. Alon Kaplans Vater war Anfang der 80er-Jahre einer der Öko-Pioniere des Landes. Zuvor betrieb er jahrelang konventionelle Landwirtschaft in seinen Orangenhainen, sprühte und spritzte, wenn er es für nötig hielt. »Bis er vom ganzen Gift krank wurde«, erinnert sich sein Sohn, »das hat ihn zum Umdenken bewegt.« Heute hält er eine kleine Ziegenherde auf natürliche Weise, bietet Öko-Milch und Ziegenkäse direkt auf seinem Hof an.
Sohn Alon ist in die Fußstapfen des Vaters getreten. Seit fast 20 Jahren ist auch er dabei – und kann sich nicht mehr vorstellen, etwas anderes zu tun. Direkt neben den Gewächshäusern ist Kaplans Laden, ein hübscher kleiner Holzbau mit Bio-Graffiti an den Außenwänden. Tomaten, Möhren, Äpfel und Trauben in bunten Farben leuchten den Besuchern schon von Weitem entgegen. Hier gibt der Landwirt das Ge-
müse direkt an die Abnehmer weiter, steht hinter der Kasse und hält einen Plausch mit den Kunden. »Diese Tomaten sind praktisch noch warm aus dem Gewächs-
haus«, sagt er zu einer Stammkundin und schmunzelt.
Die Qualität hat sich herumgesprochen, mittlerweile kann der Familienvater gut von seinem Geschäft leben. »Ich spüre jeden Monat, dass die Anhänger gesunden Essens mehr und mehr werden.« Auch er selbst mag es gern ökologisch, fanatisch aber sei er nicht. »Ich finde, alles muss das richtige Maß haben, sich langsam entwi-
ckeln. Es müssen nicht alle Menschen jetzt nur noch Bio essen. Doch gerade bei besonders schadstoffbelastetem Obst und Gemüse sollte man darauf achten, da ist Bio eine gesunde Alternative.« Außerdem schmecke es ökologisch einfach besser, ist er sicher. Seine Kinder seien auch auf den Geschmack gekommen, ohne dass der Vater es ihnen aufzwinge. »Bei uns ist auch nicht immer alles nur gesund. Coca Cola gibt es zwar nicht, aber ein paar Bonbons und Chips sind schon okay. Doch meist fragen sie nach einer Gurke oder Möhre aus unserem Anbau zum Knabbern.«
Auch in Israel hat Bio seinen Preis. Im Supermarkt kostet das Kilo Gurken 5 bis
7 Schekel (90 Cent bis 1,30 Euro), im Bioladen fast das Dreifache. Dennoch liegen die Preise meist unter denen in Deutschland, ökologische Kost ist vor allem dann er-
schwinglicher, wenn sie direkt von den Höfen der Bauern gekauft wird.
Organische Landwirtschaft gibt es bereits seit den 40er-Jahren, doch nie hat sie eine derartige Nachfrage erlebt. Läden entstehen überall, von Haifa bis nach Eilat. Vor einem dreiviertel Jahr eröffnete mit »Eden Teva« bei Netanja der größte Bio-Supermarkt des Nahen Ostens. Das Sechs-Millionen-Dollar Projekt des Geschäftsmannes Guy Prowisor bietet auf einer Fläche von 2.900 Quadratmetern mehr als 14.000 Produkte in 20 verschiedenen Abteilungen. Darunter sind eine Bäckerei für Vollkornbackwaren, Käsetheke, Feinkostabteilung, ein Eiscremestand mit Soja- und Biomilch-Leckereien sowie ein Stand für organischen Hummus. Auch umweltfreundliche Reinigungsmittel sind im »Eden Teva« zu haben.
Scharon Maimon geht regelmäßig in den Bioladen. »Ich kaufe nicht alles ökologisch, das ist mir zu teuer, aber bei beson-
ders stark gespritzten Produkten wie Erdbeeren, Trauben oder Tomaten nehme ich nur noch Bio. Es gibt genug Umweltgifte in der Luft und im Wasser, wogegen man wenig tun kann, da muss ich meine Kinder nicht zusätzlich damit füttern. Auch bei Brot greift Maimon immer öfter zu der gesünderen Alternative. »Es kostet ein paar Schekel mehr, aber ich habe ein viel besseres Gefühl damit, das ist es mir wert.«
Alle Produkte werden entsprechend der Prinzipien und Standards der Internationalen Vereinigung organischer Landwirtschaft (IFOAM) angebaut oder produziert. Das israelische Gesetz zum organischen Anbau ist in Übereinstimmung mit den EU-Richtlinien verabschiedet worden. 70 Prozent aller Bioernten stammen aus dem Süden. Die Arava-Region beispielsweise liefert vor allem im Winter den Löwenanteil an frischem Obst und Gemüse, bis zu 90 Prozent davon sind für den Export bestimmt. Kartoffeln stammen meist aus der westlichen Negev, wo die Erde mittelleicht und das Klima warm ist. Sie werden in Rotation mit Möhren, Zwiebeln, Sellerie, Paprika und Erdnüssen angebaut und folgen so den Prinzipien des natürlichen Anbaus. Organische Obstplantagen finden sich überall im Land, der Norden ist bekannt für seine Tomaten, Mais, Kichererbsen, Sprossen und Baumwolle. Letztere ist eine besondere Errungenschaft, jahrelang ging man davon aus, dass die Pflanze ohne Pestizide nichts abwerfen würde. Die Ökobauern haben das Gegenteil bewiesen.
Die Landwirte, die alle in der israelischen Bio-organischen Landwirtschaftsvereinigung (IBOAA) organisiert sind, wollen in den nächsten zehn Jahren einen Anteil von zehn Prozent der gesamten Landwirtschaft produzieren. Kaplan ist überzeugt, dass sie es schaffen. »Wenn es mit der Nachfrage so weiter geht, wovon ich stark ausgehe«, sagt er, »liegen wir bald sogar noch darüber«.