Bibel
global
Israel läßt die Welt
das Buch der Bücher
schreiben
Jorge Mario Bergoglio ist Kardinal der katholischen Kirche und Erzbischof von Buenos Aires. Cyril Svoboda ist ein Prager Jurist und Außenminister der Tschechischen Republik. Isaac Shaw ist Pastor und Vorsitzender des Bibelinstituts in New Delhi. Was die drei Männer aus drei Kontinenten verbindet, ist die Teilnahme an dem Projekt »Die Völker der Welt schreiben die Bibel«. Das vom israelischen Verleger Amos Rolnik initiierte Vorhaben wird vom Jerusalemer Außenministerium koordiniert. »Literatur«, sagt Dan Oryan, Leiter des Literaturreferats im auswärtigen Ressort, »ist ein wichtiger Teil unserer Kulturpolitik. Und es wird doch niemand bestreiten, daß die Bibel zur hebräischen Literatur ge-
hört.« Inzwischen ist das Projekt in einer Reihe von Ländern, von Großbritannien über Litauen bis Südkorea und Taiwan, angelaufen. Die feierliche Eröffnung der Bibel-Niederschrift in Moskau steht unmittelbar bevor. Der offizielle Startschuß in Deutschland fiel bei der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr, doch befindet sich das Vorhaben in der Bundesrepublik wie weltweit noch im Anlaufstadium.
Das ist verständlich, handelt es sich doch um eines der kompliziertesten Kulturprojekte auf dem Globus. Projektinitiator Rolnik: »Der Tanach besteht aus 20.137 Versen. Jeder der Partner bekommt die Aufgabe, diese Verse an einzelne Teilnehmer zu verteilen. Die tragen dann ihren jeweiligen Text in das Buch ein.« All das, wohlgemerkt, in Dutzenden von Ländern und in 100 Sprachen. Und jede Religionsgemeinschaft kann ihre eigene Bibel erstellen. In Deutschland hat Israel bereits ein evangelisches Bibelprojekt vereinbart, mit der katholischen Kirche werden Gespräche geführt. Der Projektkoordinator für die jüdi-
schen Gemeinden ist der Direktor der Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland, Beni Bloch. Die fertiggestellten Bibel-Bücher werden gebunden, illustriert und in einem bei Jerusalem geplanten biblischen Themenpark, dem »Tal des Tanach« untergebracht.
So groß der Aufwand, so groß auch der Vorteil, den sich die israelischen Verantwortlichen versprechen. Das Projekt rückt Israel nicht als ein Land des Konflikts, sondern als das Land der Bibel in den Mittelpunkt, und zwar auch in Regionen, in denen die Aktien des jüdischen Staates nicht gerade hoch im Kurs stehen. Nicht zuletzt deshalb ist Israel bestrebt, eine arabische Version der Bibel in die Wege zu leiten. Zudem ist das Projekt auch ein gigantischer Fototermin. Wenn Kirchen- und Staatsoberhäupter, Leinwand- und Fußballstars, Schriftsteller und -gelehrte ihren Vers ins Buch der Bücher eintragen, sind Kamerateams und Pressefotografen stets dabei. Und Israels jeweiliger Botschafter kommt mit ins Bild.
Inmitten des Rummels gibt es allerdings auch intimere Versionen, die weniger auf die breite Öffentlichkeit als vielmehr auf innerjüdische Bedürfnisse ab- zielen. Dazu gehören ein Tanach auf Jiddisch und eine Version, die Holocaust-Überlebende schreiben. Wladimir Struminski