Galafeiern finden in Marbella im Sommer meist im Freien statt. In dem von riesigen Palmen überragten und von blühenden Hisbiskus- und Jasminsträuchern gesäumten Garten sind die Tische gedeckt. Aber zunächst versammeln sich die Männer zum Gebet. Die Synagoge wurde 1978 als erste in Andalusien seit der Vertreibung der Juden im Jahr 1492 eröffnet. Außen in schlichtem Weiß, innen dominieren rote Farbtöne. »Unsere Gemeinde ist orthodox, aber wir sind offen für alle«, sagt Raphael Cohen, der Gemeindevorsitzende.
»Mein Haus ist zum Gebet für alle Völker der Welt« steht auf Spanisch und Hebräisch über dem Eingang der Synagoge, die sich zum Garten hin öffnet. Die Gemeinde in dem südspanischen Ferienort ist multikulturell und vielsprachig, seine Ansprache zum diesjährigen Sommerfest hält Raphael Cohen auf Spanisch, Französisch und Englisch. Rund 1.000 ständige Mitglieder hat die Gemeinde, im Sommer wächst sie auf bis zu 3.000. Jüdische Touristen aus aller Welt und Langzeiturlauber mit Zweitwohnsitz an Spaniens Sonnenküste suchen einen Ort zum Beten oder wollen die Gemeinde kennenlernen. »Am Schabbat füllt sich unsere Synagoge bis auf den letzten Platz, im August richten wir sogar einen zusätzlichen Gebetsraum im Gemeindezentrum an der Strandpromenade ein«, sagt Rabbiner Meir O’Hayon.
rückkehr Seine Familie kam vor 40 Jahren aus Marokko und gründete die Gemeinde in Marbella, Meirs Vater war der erste Rabbiner. Es ist die typische Entstehungsgeschichte der jüdischen Gemeinden in Andalusien: Aufgrund der wachsenden religiösen Intoleranz in Nordafrika kamen seit den 50er-Jahren zahlreiche Juden, Nachfahren der vor Jahrhunderten von der Iberischen Halbinsel Vertriebenen, nach Andalusien.
Spaniens Juden – der jüdische Dachverband des Landes FCJE zählt derzeit etwa 48.000 – sind zum überwiegenden Teil Sefarden. Doch in der Gemeinde von Marbella ist die Hälfte Aschkenasim, denn viele Mitglieder kommen aus Mitteleuropa. Rabbiner O’Hayon hält die Gottesdienste nach der sefardischen Liturgie, nur an den Hohen Feiertagen reist ein auswärtiger Rabbiner an, mit dem die aschkenasischen Gemeindemitglieder nach ihrem Ritus beten.
Jackie und David Stanley kommen wie viele ausländische Residenten in Marbella aus Großbritannien, sie stammen ursprünglich aus London. »Als Weinimporteur hatte ich viele Jahre geschäftlich in Spanien zu tun«, sagt David Stanley. Die Costa del Sol habe ihm und seiner Frau gefallen, so kauften sie zunächst eine kleine Wohnung, später bauten sie ein Haus. »Als ich mich zur Ruhe gesetzt habe, sind wir ganz nach Marbella gezogen«, so Stanley. Die Londoner Reformjuden wurden Mitglieder der Gemeinde und nehmen an allen wichtigen Veranstaltungen teil.
Der Religionsunterricht der Kinder, den O’Hayons Kollege, Rabbiner León Benguigui, hält, ist besonders für junge Familien ein wichtiges Bindeglied zur Gemeinde. »Viele, die an anderen Orten wohnen, feiern die Bar- oder Batmizwa ihrer Kinder im Sommer in Marbella nach«, bemerkt Jackie Stanley. Jeden Sommer findet das große Wiedersehen statt, Höhepunkt ist das Sommerfest.
Mehr als hundert Gemeindemitglieder haben sich inzwischen im Garten der Synagoge eingefunden, es gibt koscheres Essen mit marokkanischen Einflüssen von einem Catering-Service aus Marbella. Der spanische Rotwein ist für den US-amerikanischen Markt abgefüllt, das Etikett weist den Importeur in New York aus.
Nachdem Raphael Cohen die Gäste begrüßt hat, hält auch Israels Botschafter in Spanien, Raphael Schutz, eine kurze Ansprache. Der Diplomat, dessen Wurzeln in Deutschland liegen, ermuntert die Gemein- demitglieder mit einer heiteren Anekdote aus der eigenen Familie zum Spanischlernen. Anders als in vielen Residenten-Zirkeln an der spanischen Küste verständigt man sich in der Gemeinde multilingual, Mehrheitssprache ist Französisch.
heiraten Nach Frankreich gibt es viele Verbindungen. »Einmal habe ich eine Trauung gehalten, zu der die ganze Hochzeitsgesellschaft mit dem Flugzeug aus Paris angereist war«, berichtet Rabbiner Meir O’Ha- yon. Heiraten in Marbella ist in Mode, quer durch alle Konfessionen. Die Lokalpresse hat kürzlich einen großen Artikel darüber geschrieben, darin wurde auch Marbellas Rabbiner zitiert. »Die Hochzeitspaare kommen aus England, Israel, Frankreich und Marokko«, sagt O’Hayon.
Als weltoffene Gemeinde sucht man auch den Austausch mit anderen Religionen. So nimmt an diesem Abend der Imam von Marbella am Fest teil, in der Vergangenheit haben er und der Rabbiner gemeinsam in der Synagoge gebetet. Für Lokalkolorit sorgt an diesem Abend ein Gesangstrio in der Tradition der studentischen Tuna-Sänger. »Canta y no llores« – weine nicht, sondern sing. An diesem Abend eine Selbstverständlichkeit.