von Veronika Wengert
Ein Baugerüst versperrt die Sicht auf den Toraschrein. In einer Ecke warten lange Holzbänke darauf, von ihrer Plastikfolie befreit zu werden. Rami Suliman versucht, mit seiner Stimme gegen das Aufheulen einer Fräsmaschine anzukämpfen: »Wir fühlen uns mit offenen Armen empfangen, ob Stadt oder Polizei, alle wollen uns helfen«, sagt er. Suliman ist Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde in Pforzheim, einer Stadt mit 130.000 Einwohnern am Nordrand des Schwarzwalds.
Die Tage, die Suliman und seinen Helfern noch bleiben, um die geschäftige Baustelle in ein modernes jüdisches Gemeindezentrum zu verwandeln, lassen sich an einer Hand abzählen: Am Sonntag, 15. Januar, bekommt Pforzheim eine neue Synagoge. Ein herrschaftliches weißes Haus mit vier Stockwerken in einem zentralen Wohnviertel. Erwartet werden fast 500 geladene Gäste, darunter auch der ehemalige Oberrabiner Israels, Israel Meir Lau, die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, und der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger.
Daß in dem Gebäude zuvor die Landeszentralbank untergebracht war, kann man nur erahnen. Wo sich einst die Schalterhalle befand, wird künftig gebetet. Und an Stelle der Tresorräume finden die Besucher jetzt Toiletten. Vor gut einem Jahr kaufte der Oberrat Baden das Gebäude für 1,22 Millionen Euro, finanziert durch Eigenmittel, Stadt und Land. In den Umbau wurde nochmals gut eine halbe Million Euro investiert. Vergessen dürfe man auch nicht die vielen Spenden, die der Verein ProSynagoge beigetragen habe, erinnert Suliman. Auch die katholische und evangelische Kirche hätten sich beteiligt: beide stifteten je einen Leuchter.
Die Baukommission der Gemeinde mußte sich zwischen sieben Architekten entscheiden, die ihre Entwürfe eingereicht hatten. Die Ausschreibung gewann Nathan Schächter, ein Architekt aus Münster, der bereits die Synagoge in Recklinghausen entworfen hatte.
Im Keller befindet sich eine Mikwe. Den religiösen Vorschriften entsprechend gibt es auch zwei getrennte Küchen: eine für die Zubereitung von Milchspeisen, eine für Fleischgerichte. Der Betraum mit seinen 300 Quadratmetern läßt sich durch zwei flexible Trennwände in drei verschiedene Größen verwandeln. So finden hier je nach Bedarf 70, 100 oder 250 Personen Platz. Auf einer Empore befindet sich ein abgetrennter Frauenbereich. Der Toraschrein ist auf den Farbton der Bänke in hellem Holz abgestimmt. Und im Obergeschoß werden Büro, Internetzentrum und Unterrichtsräume untergebracht sein.
Alles Einrichtungen, die ab der kommenden Woche den Gemeindemitgliedern zu Verfügung stehen sollen. Insgesamt gehören zur Gemeinde, die in der sefardischen Tradition steht, 430 Menschen. Ein Viertel davon stammt aus Israel, die meisten sind aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zugewandert. Rund 80 Gemeindemitglieder seien unter 16 Jahre alt.
Jahrzehntelang haben die Pforzheimer Juden in angemieteten Räumen gebetet. Nun bekommen sie nach mehr als 67 Jahren wieder eine Synagoge. Das alte Bethaus war in der sogenannten Reichskristallnacht am 10. November 1938 zer-
stört worden.