Besuch
an der Front
Solidaritätsmission:
500 Zionisten aus
aller Welt zu Gast
Touristengruppen sind in Israel dieser Tage selten. So bleibt mancher Passant stehen und schaut sich die Menschenansammlung auf dem Harel-Boulevard in Mewasseret Zion neugierig an. Kein Zweifel: Jüdische Gäste aus der Diaspora. Englisch herrscht vor, die Kleidung ist nicht gerade typisch israelisch, doch tragen viele Kippa. Das Schild im Panoramafenster gibt genauere Auskunft: »With Israel in Israel – World Zionist Organization Solidarity Mission«. Die Besucher gehören zur 500 Teilnehmer zählenden Delegation jüdischer Organisationen aus über 20 Ländern. Hier kommen sie mit Neueinwanderern aus Äthiopien zusammen. Die Olim wurden aus Nordisrael in das sichere Einwandererheim in Mewasseret Zion evakuiert, wenige Kilometer von Jerusalem entfernt. Später wollen sich die Besucher auch über die Lage im Norden informieren. Auf dem Programm der dreitägigen Reise stehen unter anderem eine Fahrt nach Haifa und ein Besuch von Waldgebieten, in denen die Hisbollah-Geschosse Großbrände ausgelöst haben. Zum Abschluß wartet auch die zweite Front: das unter Kassam-Feuer liegende Sderot an der Grenze zum Gasastreifen.
»Wir wollen uns vor Ort informieren«, sagt Reeva Forman, Angehörige des südafrikanischen Kontingents und Mitglied des South African Jewish Board of Deputies, der Dachorganisation der jüdischen Bevölkerung im Land am Kap. »Die internationalen Medien zeigen nur das Leiden der Libanesen, nicht das der Israelis«, klagt sie. Was sie in Israel sehen, wollen die Südafrikaner, unter ihnen auch Oberrabbiner Warren Goldstein, in die Öffentlichkeit tragen. Daheim wollen sie das schiefe Medienbild, so gut es geht, korrigieren. »Zum Teil sind Kinder hier, die erst seit zwei Wochen im Lande sind und schon evakuiert, von ihren Eltern fortgerissen werden mußten«, klagt Forman. »Darüber schreibt in der Welt doch keiner.«
Für die Kaufmans aus Chicago – Mutter Karen, Vater Jay und Tochter Sarah – ist die Solidaritätstrip zugleich Sarahs erster Israelbesuch. »Wir hatten sowieso eine Reise für diesen Sommer geplant. Natürlich hatten wir nicht geahnt, daß sie unter diesen Umständen stattfindet«, sagt Karen. »Jetzt wollen wir auch helfen. Deshalb informieren wir uns über die Bedürfnisse, die durch Krieg und Evakuierung entstanden sind«. Karen, Regionalvorsitzende der konservativen Frauenbewegung, zeigt den Notizblock, auf dem sie alles niederschreibt: Spiele für die Kinder, Schulbücher, Hygieneartikel. Und die Liste wächst. Nach ihrer Rückkehr in die USA wird sich Karen für die nötigen Spenden einsetzen. Jetzt aber heißt es: »Wir müssen weiter«. In Ermangelung einer gemeinsamen Sprache beschränkt sich der Abschied von den äthiopischen Kindern auf den Händedruck, ein Lächeln. Dann rollt der Bus mit den Panoramafenstern davon. Wladimir Struminski