von Jan Opielka
»Eine Säule der pro-israelischen Politik innerhalb der Europäischen Union« – mit diesen Worten umschreibt Michal Sobelman, Sprecher der israelischen Botschaft in Warschau, die Politik der nun abgewählten polnischen Regierung gegenüber Israel. Polen habe in den letzten zwei Jahren innerhalb der EU eine eindeutig israelfreundliche Politik verfolgt. »Die EU selbst sieht hingegen nicht so ganz die Gefahr, die etwa der Iran darstellt«, sagt Sobelman. In den Beziehungen zwischen Polen und Israel habe es in den letzten 15 Jahren »keine dramatischen Veränderungen« gegeben. Sie seien beständig und gut gewesen, und die israelische Seite erwarte eine Fortführung auch nach dem Wahlerfolg der liberalen Bürgerplattform (PO).
Diese Einschätzung teilt im Grunde auch Stan Krajewski, Berater des American Jewish Comittee in Polen. Er hofft, dass »Polen mit seinen besseren Beziehungen zu Israel, als die meisten anderen EU-Staaten sie pflegen, auf die Politik der EU in dieser Hinsicht Einfluss nehmen« werde. Verbunden mit der Kritik an dem klerikalen Radiosender Maryja erwartet Krajewski, dass sich die neue Regierung stärker von dessen Inhaber Pater Rydzyk distanzieren werde. »Wir haben die Hoffnung, dass es keinen Wandel zum Schlechteren geben wird«, sagt Krajewski.
Jan Fingerland, tschechischer Journalist und Politologe und zugleich Kenner der Beziehungen zwischen Israel und der EU, erklärt die grundsätzlich positive Einstellung des Staates Israel gegenüber Polen: »Es gibt in Israel die allgemeine Überzeugung, dass die exkommunistischen Staaten der EU gegenüber Israel weniger kritisch sind als das ›alte Europa‹.« Polen genieße dabei wegen seines diplomatischen Gewichts als auch wegen der jüdisch-polnischen Vergangenheit besonderes Ansehen, obgleich es neben »positiver Rhetorik und dem Fehlen offener Feindschaft sehr wenig für Israel getan hat«.
Mehr als Rhetorik war jedoch sicher ein Vertrag zur stärkeren militärischen Zusammenarbeit zwischen Polen und Israel, den der letzte polnische Verteidigungsminister Aleksander Szczyglo Anfang 2007 mit seinem israelischen Amtskollegen Amir Perez unterzeichnete. Szczyglo begründete die engere Kooperation beider Länder mit den Worten: »Das Nutzen von Erfahrungen einer Armee, die ihre Leistungsfähigkeit häufig auf dem Schlachtfeld prüft, scheint mir sehr gewinnbringend für die Verteidigungskräfte Polens.«
Jüdische Kritik erfuhr und erfährt die nun abgewählte Regierung der Kaczynski-Partei PiS eher innenpolitisch. Michal Sobelman kritisiert etwa, dass die mit der polnischen Geschichtsaufarbeitung befasste Behörde IPN »historische Politik« betreibe. Diese »sehr selektive« Geschichtsauffassung beunruhige viele jüdische Kreise, so Sobelman. Obwohl gewaltsame Übergriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen im Vergleich mit Westeuropa eher selten vorkämen, habe es dennoch andere beunruhigende Vorfälle gegeben. So seien in diesem Jahr bei einer Denkmalenthüllung für den rechtsnationalen Zwischenkriegspolitiker Roman Dmowski von Seiten rechter Jugendorganisationen faschistische und antisemitische Zwischenrufe gefallen, ohne dass die anwesende Polizei eingeschritten wäre. Nicht zuletzt moniert Sobelman die Nähe der PiS-Regierung zum erzkatholischen Radiosender Maryja. An einer möglichen finanziellen Förderung des Senders mit Hilfe von EU-Geldern (vgl. Jüdische Allgemeine vom 26. September) hatte es auch in Israel Kritik gegeben.
Wichtige Vertreter jüdischer Organisationen in Polen äußerten sich hingegen sehr zufrieden über ihre Zusammenarbeit mit der abgewählten Regierung. Der Vorsitzende des polnischen Verbands jüdischer Konfessionsgemeinden (ZGWZ), Piotr Kadlcik, hebt etwa das Engagement von Präsident Lech Kaczynski für den Bau des Museums zur Geschichte der polnischen Juden hervor. Gleichwohl hat sein Verband letzte Woche Beschwerde gegen die Einstellung eines Verfahrens gegen Pater Rydzyk eingereicht. Dieser hatte dem Wochenmagazin Wprost zufolge bei einer Veranstaltung geäußert: »Die Angelegenheit mit Jedwabne diente nur dazu, dass die jüdische Lobby von Polen 65 Milliarden Dollar erschleichen kann.« 1941 hatten die Bewohner von Jedwabne ein Massaker an den jüdischen Bürgern der Kleinstadt begangen.
Der Vorsitzende der Sozialkulturellen Gesellschaft der Juden in Polen (TSKZ), Artur Hofman, hatte hingegen bereits vor den Wahlen den Antisemitismus von Pater Rydzyk und Radio Maryja als insgesamt relativ harmlos bezeichnet.