von Miryam gümbel
Mit dem Scopus Award haben die Freunde der Hebräischen Universität Jerusalem am Donnerstag vergangener Woche Charlotte Knobloch im Kaisersaal der Münchner Residenz geehrt: »In Anerkennung ihres bedeutenden Beitrags zur Neuentstehung jüdischen Lebens in Deutschland und ihrer unermüdlichen Bemühungen, das Bewusstsein um das Anwachsen des Antisemitismus zu erhöhen, sowie in Würdigung ihrer tiefen Freundschaft zu Israel.«
Der Scopus-Berg stehe, so der Präsident der Jerusalemer Universität, Menachem Magidor, für Zerstörung und Neubeginn Israels. Von ihm nahm die Zerstörung Jerusalems unter dem römischen Kaiser Titus seinen Ausgang. Auf ihm erfolgte mit der Gründung der Universität aber auch ein wichtiger und zukunftsweisender Neubeginn Israels noch vor der Staatsgründung. Für einen Neubeginn jüdischen Lebens in Deutschland stehe auch Charlotte Knobloch, der er anschließend gemeinsam mit dem Universitätsrektor Haim Rabinowitsch und dem Präsidenten des Freundeskreises, Ron C. Jakubowicz, die Auszeichnung überreichte.
»Charlotte Knobloch beschwört geradezu das Positive zwischen Juden und Nichtjuden und setzt damit den Anspruch, wie das Miteinander sein soll«, charakterisierte Laudatorin Rachel Salamander von der Literaturhandlung die Brückenfunktion zwischen Vernichtung und Neubeginn jüdischen Lebens in Deutschland. Sie zeichnete die Biografie der Preisträgerin, die als kleines Kind aus ihrer Heimatstadt fliehen musste – und die als Präsidentin der Münchner Gemeinde jahrzehntelang darum kämpfte, dass das Judentum in München wieder seinen sichtbaren Platz im Herzen der Stadt findet. Damit habe nicht nur die jüdische Gemeinschaft Positives erfahren – auch München sei ein Stück attraktiver geworden.
Charlotte Knobloch habe auch noch in einem weiteren Punkt an die Zeit vor der Schoa angeknüpft, sagte Salamander: Die Präsidentin der Zentralrats verstehe sich als jüdische Deutsche. Salamander brachte Charlotte Knoblochs Leben auf den Punkt: »Sie hat ihre Lebenszeit der jüdischen Sache verschrieben. Sie tut es mit entschlossenem Pragmatismus und politischem Geschick, mit Prinzipienfestigkeit und gro- ßem Charme. Und alle Bürger dieses Landes profitieren davon. Hoffentlich auch Charlotte Knobloch selbst, wenn sie sich mit ihrem Einsatz wieder ein Stück Heimat zurückerobert und München für sie und ihre Gemeinde wohnlicher geworden ist.«
»Mit Blick auf unser Jüdisches Zentrum am Jakobsplatz«, so Charlotte Knobloch in ihrer Dankesrede, »ertappe ich mich bisweilen selbst dabei, nicht glauben zu können, was hier entstanden ist.« Und sie erklärte ihr Engagement: »Es gehört zur Geschichte unseres Volkes, immer wieder neu anfangen zu müssen. In diesem Bewusstsein, in dieser alten jüdische Tradition, habe ich beschlossen, den Geist des Ghettos abzuschütteln und die jüdische Gemeinschaft dorthin zu führen, wohin sie gehört: Ins Herz der Stadt, in die Mitte der Gesellschaft.«
Ihre Verbindung zu Israel schilderte Charlotte Knobloch in ihrer Dankesrede mit einem Eindruck ihres ersten Besuchs in Jerusalem und dem Blick auf den Scopus-Berg. »Der weiße Stein des Universitätsgebäudes reflektierte das Licht, als ob es darum ginge, eine Botschaft von Freiheit und Unabhängigkeit in die Welt hinauszustrahlen.«
Ein Zeichen dieser Freiheit ist auch der Pluralismus, den Jakubowicz bei seiner Begrüßungsrede am Beispiel der jüngsten Promotionsfeier angesprochen hatte, bei der ein Großteil der Absolventen arabische Doktoranden waren.
Ein Schwerpunkt an der Hebräischen Universität ist die Hirnforschung. Das darin weltweit führende Institut soll unter Federführung von Menachem Magidor ausgebaut werden – mit Hilfe eines neuen Fonds, dem »Charlotte-Knobloch-Fonds für Post-Doktoranden«. Die Namensgeberin dazu: »Mit dem neuen Fonds unterstützen wir junge Intellektuelle und Wissenschaftler bei ihren Forschungsvorhaben und ersetzen so die Infrastruktur des Terrors durch eine Infrastruktur des Friedens.«
Diesen Fonds konnten noch am Festabend die zahlreichen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Religionsgemeinschaften, Kultur und der Münchner Gesellschaft unterstützen. Ein besonderes Gastgeschenk überbrachte die Starvirtuosin Anne-Sophie Mutter: Einer ihrer Stipendiaten, der Geiger Michail Ovrutsky, spielte Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 2 d-moll für die Gäste des Gala-Abends unter der Schirmherr- schaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel.