brief

»Behalte dein Brustblechle«

Arno, lieber und verehrter Freund, Du hast mir schon oft gut Eizes gegeben. Heute aber will ich Dir einen kleinen Rat zumuten: Drohe bitte nicht damit, aus Protest gegen die unverdiente Verleihung eines deutschen Verdienstordens an die israelische Antisemitin Frau Langer, drohe Du nicht, Dein hochverdientes Bundesverdienstkreuz zurückzugeben. Wenn Du diese Ankündigung wahr machtest, wäre das gewiss verständlich, aber womöglich ein Fehler. Ich bin in diesen Wochen unterwegs und las im Internet Deinen offenen Brief an den Bundespräsidenten.
Im ersten Affekt dachte ich: Recht hat er! Also gebe ich aus sentimentaler Solidarität mein Bundesverdienstkreuz auch unter Protest zurück. Aber dann überlegte ich: Nur weil jetzt solch eine notorische Verleumderin des Judenstaates mit diesem Orden der Bundesrepublik ausgezeichnet wurde, sollten Leute wie Du und ich solch einer verqueren Menschheitsretterin nicht auch noch diese übertriebene Bedeutung zukommen lassen.
Wenn eine Autorität wie Arno Lustiger seine Auszeichnung aus so nichtigem Grunde hinschmeißt, das könnte allzu bequem missdeutet werden als Affront gegen das demokratisch verfasste Gemeinwesen Deutsche Bundesrepublik. Die Grenze zwischen Position und Pose ist leicht überschritten. Sogar politische Halbkenner haben aus den Medien erfahren, dass diese judenhassbeseelte Frau eine hohe Funktionärin im ZK der KP Israels war, eine parteitreue Stalinistin und – was Wunder! – auch eine zuverlässige Genossin des Erich Honecker, obwohl in dessen DDR der Antisemitismus in der Maskierung des Antizionismus Staats- und Parteidoktrin war. Die Informierten wissen, dass die Rechtsanwältin Langer auch heute noch aufseiten der Diktatur gegen die Demokratie steht, wenn sie in jüngster Zeit sogar den totalitären Holocaustleugner Ahmadinedschad lobt und verteidigt, der gerade dabei ist, die Atombombe zu bauen, mit der er die Endlösung der Judenfrage vollenden will. Ich halte diesen Diktator in Teheran nicht für ein Großmaul, sondern für genauso zuverlässig wie es einst Adolf Hitler war, auch dieser Fanatiker wird ohne Bedenken tun, was er sagt.
Ich habe gelesen, dass die Juristin Langer früher mal in Israel als Anwältin sich einen Namen machte, weil sie Palästinenser im Judenstaat gegen Rechtsbrüche und Ungerechtigkeiten verteidigte. So was finde ich grundsätzlich gut und sogar sympathisch, es passt zur humanistischen Tradition der Juden in der Weltgeschichte. Als eine Araberin oder Perserin in muslimischen Ländern könnte sie solch eine Rolle nicht spielen, denn muslimische Fundamentalisten würden sie ohne Zögern umbringen.
Natürlich weiß sie das. Dass sie aber, wie ich finde, mit notorischem Geifer die einzige Demokratie im Nahen Osten schlechtredet – zudem seit 20 Jahren von Deutschland aus –, wenn sie sogar die Terrororganisation Hamas verteidigt gegen Israels Überlebensinteressen, wenn sie Israel gleichsetzt mit dem menschenfeindlichen Apartheidregime in Südafrika, dann finde ich das mies, eine aggressive Verleumdung wider besseres Wissen, kurz: zynisch. Und es ist eine gerechte Strafe, wenn sie für diese Niedertracht von Canaillen der gestürzten DDR-Nomenklatura, von unbelehrbaren MfS-Kadern und von der dummen FDJ-Zeitung Junge Welt und von den schlauen Ideologen der SED-PDS-LINKEN gelobt, verteidigt und gefeiert wird. Auch das ist mal wieder ein Akt unfreiwilliger politischer Aufklärung der Firma Gysi & Co.
Lieber Arno, ärgere Dich also von Herzen, aber ärgere Dich nicht so kopflos. Ich habe mit meiner lebensklugen Frau Pamela darüber gesprochen, sie sagte: Du weißt doch, wie das Prozedere offizieller Ehrungen in unserem deutschen Länderland funktioniert; irgendeine Provinzobrigkeit befürwortet und beantragt die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz dieser oder jener Klasse für einen Menschen. Tausende verdienstvolle Bürger der Bundesrepublik wurden auf diesem Wege im Lauf der Jahrzehnte geehrt, vom hohen General eines Schrebergartenvereins bis zum tapferen kleinen Soldaten der großen Weltpolitik.
Und es kann gar nicht anders sein, als dass unter diesen Kandidaten auch mal ein Mensch ordifizieret wird, dem es leider gelungen ist, sich bei den richtigen Leuten mit falschen Verdiensten ins rechte oder linke Licht zu setzen.

untertanen Ach Arno, da haben wir im Systemvergleich mal wieder ein Beispiel dafür, dass in der DDR nicht alles schlecht war, ja sogar besser: Die politische Kultur des Auszeichnens passierte im Realsozialismus klarer und einfacher, jede Ehrung war eine Entehrung. Da stanken die Orden nach Korruption. Nicht immer, aber doch meistens, war es mehr Schande als Ehre, solch ein buntes Ding angehängt zu kriegen – das hatte mit Wert oder Unwert der einzelnen Menschen wenig zu tun, alles aber mit dem Grundcharakter einer totalitären Diktatur, die ihre Untertanen bei Laune und auf Trab hält, mit Privilegien systematisch verblödet, zerschmeichelt mit Or- den. Eben Zuckerbrot und Peitsche – das bewährte Machtmittel.
Ich vermute, dass die Ehrung dieser unehrenhaften Dame im Großen und Ganzen die Folge einer Verkettung von Schlamperei, Gutgläubigkeit und Unwissenheit ist und vor allem: Routine – zudem die Folge der ahnungsarmen Arglosigkeit dessen, der alles in Gang gebracht haben soll: der wahrhaft grüne Oberbürgermeister in Tübingen. Im Übrigen sollten die zuständigen Staatsdiener in Baden-Württemberg den Politmüll wegschaffen, den sie uns vor die Tür geschmissen haben.

mediensturm Mein verehrter alter und ewig junger Freund, Du bist Historiker und selbst ein erfahrener KZ-Häftling, und Du kennst zudem das Land Israel besser als alle, die jetzt in dieser Sommerloch-Flaute auf hoher See im Mediensturm mit dem Lukendeckel klappern. Die FAZ oder die Welt oder der Spiegel haben schon oft hochkarätige Artikel von Dir zur Geschichte der Juden abgedruckt. Du solltest vielleicht zu diesem jüngsten Skandal um Felicia Langer einen klugzornigen Text ablie- fern, aber nicht Dein Bundesverdienstkreuz abgeben. Schreib was dazu! Ich würde solchen Essay gerne lesen.
Mein Vorschlag also: Du und ich behalten die Meriten des demokratischen Deutschland. Nicht wir – wenn überhaupt, sollte diese meschuggene Megäre das hochnotpeinliche Brustblechle in ein Kuvert stecken und in die Köhler-Hütte Schloss Bellevue nach Berlin zurückschicken.

Sei gegrüßt und umarmt wie immer, Wolf am 26. Juli ‹09.

Kultur

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