von Christine Schmitt
In der Ruhe liegt ihre Kreativität. »Wenn ich mir neue Kombinationen von koscheren Gerichten überlege, dann darf mich keiner stören«, sagt Gaby Baum. Dann ziehe sie die vorübergehende Isolation vor und stehe ganz allein in ihrer Catering-Küche, um zu experimentieren. Wenn es allerdings nur um das Schnippeln von Obst und Gemüse geht, dann könne sie sich nebenher gut unterhalten. »Manchmal arbeite ich 16 Stunden am Tag«, sagt sie und setzt sich leicht erschöpft auf einen Stuhl und trinkt erst einmal eine Tasse Tee. In der vergangenen Woche hatten sie und ihre Mitarbeiter um die 100 Stunden geschuftet, denn sie mussten einen Großauftrag bekochen: An zwei Tagen jeweils ein Buffet für mehr als 120 Gäste bei der offiziellen Amtseinführung von Rabbinerin Gesa Ederberg in der Synagoge Oranienburger Straße. Als besondere Herausforderung kam noch dazu, dass der Fahrstuhl ausfiel und sie mit ihren Mitarbeitern alle Speisen Stufe für Stufe in die dritte Etage hinauf transportieren musste. »Am schwersten waren die Suppen«, sagt die 58-Jährige.
Gaby Baum liefert koschere Buffets, bietet Vorträge über koschere Speisen an und gibt an der jüdischen Volkshochschule Kochkurse. Oder besser gesagt gab, denn »derzeit gibt es keine geeignete koschere Lehrküche«. Deshalb würde sie sich wünschen, dass die Gemeinde eine Lehrküche vielleicht in einer Schule einrichtet, in der sie dann wieder unterrichten könnte.
Angefangen hatte ihre kochende Berufstätigkeit mit einem Zufall vor sieben Jahren. »Freunde wollten im Centrum Judaicum heiraten und fragten mich, ob ich ihnen das Buffet zubereiten könnte«, sagt Gaby Baum. Erst einmal musste sie tief schlucken – doch nach intensivem Nachdenken war sie sich sicher, dass sie ein Essen für 100 Gäste hinbekommen würde. »Natürlich war nicht alles perfekt, aber die Gäste waren sehr zufrieden.« Bis dahin hatte sie als Lehrerin in den Fächern Sport, Hauswirtschaft und Arbeitslehre in einer Haupt- und Realschule unterrichtet. Aber dann spürte sie, dass sie sich beruflich verändern wollte. Da kam die Idee des Caterings gerade zum richtigen Zeitpunkt.
»Ich habe immer gerne gekocht«, sagt Gaby Baum. Als kleines Mädchen, sie konnte gerade mal die Rezepte lesen, stand sie schon in der Küche ihrer Mutter und probierte Kuchenrezepte aus. »Immer die komplizierten«, meint sie. Heute steht sie immer noch gerne in ihren beiden Küchen. Denn unter ihrer Wohnung habe sie sich im Souterrain noch eine weitere Küche einrichten lassen, wo der Sack Kichererbsen Platz hat und sie für Aufträge die Zutaten schneiden kann. Ob kleine private Feiern oder Großaufträge – nichts ist ihr zu viel. »Ich kann das«, sagt sie selbstbewusst. Angst vor großen Zahlen und viel Arbeit kenne sie nicht. Sie sei ein Organisationstalent, flexibel und gut strukturiert. Dennoch könne sie nicht von ihrem Geschäft »Kulinarische Beratung Baum« leben. »Dann müsste ich verhungern oder die Preise erhöhen.«
Die koscheren Zutaten kauft sie überwiegend in Straßburg ein. Sie ist in der Nähe aufgewachsen, ihr Vater lebt dort noch heute. »Dort gibt es eine größere jüdische Gemeinde und deshalb auch mehr Auswahl an Lebensmitteln«, meint sie. Beispielsweise kann sie dort auch verschiedene Käsesorten erstehen, die in Berlin gar nicht erst im Kühlregal auftauchen. Oft fährt sie auch deshalb in ihre alte Heimat. »Das Fleisch ist dort so herrlich «, sagt sie. Aber sie hat sich für eine milchige und fischige Küche entschieden, denn deren Zutaten kann sie im eigenen Auto transportieren. Bei Fleisch wäre es aufwendiger und komplizierter.
Vor 40 Jahren kam sie zum Studium nach Berlin, blieb in der Hauptstadt hängen und lernte ihren späteren Mann kennen. Heute dürfen er und ihr Sohn immer als Erste die neuen Gerichte kosten. Denn die herkömmlichen jüdischen Standardgerichte reichen ihr schon lange nicht mehr. Sie mag lieber variieren und stellt vieles selber her. »Sogar Sushi ist möglich«, meint sie.
Oft ist sie in Israel unterwegs und kombiniert dann Verwandtenbesuche mit einer Bildungsreise in Sachen Kochen. Wenn sie in einem Restaurant speist, fragt sie immer, ob sie auch mal in die Küche gehen und in die Töpfe gucken darf. Brot backen habe sie beispielsweise von einer alten jemenitischen Bäuerin gelernt. Aber am Humus scheitere sie immer noch. »So cremig wie es ihn in Israel gibt, kriege ich ihn einfach nicht hin«, sagt sie. Jetzt hat sie sich noch extra ein Küchengerät in Israel bestellt, in der Hoffnung, dass er so zarter wird. Wenn Verwandte nach Deutschland kommen, dann fragen sie vorher bei Gaby Baum, was sie ihr mitbringen sollen. Da kann dann auch schon mal ein Paket koschere Gelatine dabei sein.
Wenn sie hingegen in Deutschland einkaufen geht, nimmt sie immer ihre Brille mit. »Man braucht schon einen genauen Blick, um hier die kleingedruckten Zutaten überhaupt entziffern zu können«, sagt die 58-Jährige.
Bei den vier bis fünf Büchern aus der Gemeindebibliothek, die sie sich monatlich ausleihe, sei das schon wesentlich leichter, da die Schrift »normal« ist. Am liebsten liest Gaby Baum Belletristik aus Israel und Reisebeschreibungen. Ab und zu nimmt sie auch mal ein Kochbuch mit – um neue Anregungen für ihre Kochexperimente zu erhalten.