Filmfestival

Barmizwa, Bubble und Beck

von Ayala Goldmann

Die Frage, was ein Filmfestival zu einem jüdischen Filmfestival macht, wird wohl nie eindeutig zu beantworten sein. Fest dagegen steht, dass das Jewish Film Festival Berlin & Potsdam unter der Federführung von Nicola Galliner, Leiterin der Jüdischen Volkshochschule, inzwischen zu einer kulturellen Institution geworden ist, auf die Filmfans weder in Berlin noch in Potsdam verzichten mögen. Am kommenden Sonntag, den 17. Juni, ist es wieder soweit: Bis zum 30. Juni sind 24 Filme aus acht Ländern zu sehen. Darunter allein neun Produktionen aus Israel. Spielfilme und TV-Serien, Dokumentarfilme über einen ultra-orthodoxen jüdischen Filmemacher, eine arabische Karatemeisterin aus Israel und den Rückzug der israelischen Armee aus dem Gasastreifen, Barmizwa-Komödien aus England und den USA und eine Tragikomödie über eine Shivah aus Mexiko. Für jeden interessierten Zuschauer sollte dabei mehr als ein gelungener Kinoabend herausspringen. Für Berliner ist nicht zuletzt die deutsche Dokumentation Die Freiheit des Erzählens – Das Leben des Gad Beck (Carsten Does, Robin Cackett 2006) interessant – ein einfühlsames Porträt von Galliners Vorgänger als Leiter der Berliner Jüdischen Volkshochschule, der als Jude und Schwuler in der Illegalität die Nazi-Zeit überlebte und seinen ersten Freund, die Liebe seines Lebens, in Auschwitz verloren hat.
In diesem Jahr steht das Jewish Film Festival unter keinem speziellen Motto. »Wir werden 13«, erklärt Nicola Galliner kurz und bündig. Und während die Jüdische Gemeinde auch diesmal nur einen kleinen Teil der Kosten trägt und das Festival (Ge-
samtbudget laut Galliner: 145.000 Euro) zum größten Teil vom Hauptstadtkulturfonds und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie finanziert wird, haben Galliner, ihr Mitarbeiter Christian Deutschmann und Milena Gregor vom Vorstand der Freunde der Deutschen Kinemathek wieder keine Mühe gescheut, um ein vielschichtiges Programm auf die Beine zu stellen.
Zu einem der Höhepunkte des Festivals dürfte die Tragikkomödie My Mexican Shivah werden. Erzählt wird die Geschichte mit so viel Ironie und in einer gelungenen Choreograhie, dass der Zuschauer sich ohne Vorbehalte amüsieren kann. Der lebenslustige Moishe stirbt während einer Theatervorführung im jüdischen Viertel von Mexiko City. Bei der gemeinsamen Shivah, der Trauerwoche, stellt sich erwartungsgemäß heraus, dass Moishe kein Heiliger war: Seine Tochter Esther kann ihrem Vater dessen Affäre mit einer Nichtjüdin nicht verzeihen; das Testament bietet wenig und die Gläubiger stehen schon vor der Tür. Doch auch die Nachkommen haben zwei Gesichter, nicht zuletzt der moralpredigende, schläfengelockte Enkel, der sich aus Angst vor einer Anklage wegen Drogenbesitz nach Israel abgesetzt hatte. Untermalt werden die sieben Episoden der Shivah von Hintergrundmusik der »Klezmatics« beziehungsweise einer mexikanischen Mariachi-Band – überwacht aber werden die Trauertage von den weißbärtigen Engeln Aleph und Bet, die ähnlich wie in der Muppet-Show immer wieder von oben ihre missbilligenden Kommentare abgeben.
Ebenfalls das Zeug zu einem Publikumsfavoriten hat Sixty Six, die schräge Komödie aus Großbritannien (Paul Weiland, 2006, mit Helena Bonham Carter). Sixty Six beschließt den Eröffnungsabend des Filmfestivals am 17. Juni. Die Koppelung einer jüdischen Familiengeschichte mit einer Fußball-WM war dieses Jahr zuletzt auf der Berlinale zu sehen: in Das Jahr, in dem meine Eltern in Urlaub fuhren des brasilianischen Regisseurs Cao Hamburger.
Doch was in Sixty Six zunächst wie ein billiger Handgriff des Drehbuchs wirkt, geht letztlich, wegen der schrägen Einblicke in das Leben einer jüdischen Familie 1966 in England und die Befindlichkeit eines Barmizwa-Kandidaten, gut auf. Der zwölfjährige Bernie, ohnehin in keiner leichten Situation mit seinem depressiven Vater und einer finanziell klammen Familie, sieht seine Barmizwa endgültig in einer Katastrophe enden, als sich herausstellt, dass sein Fest mit dem Endspiel der WM zusammenfällt. Doch ein echter Mann, so hat Bernie von seinem blinden Rabbi gelernt, wird mit den Herausforderungen des Lebens fertig – und so löst sich die misslungene Feier für Bernie schließlich in Wohlgefallen auf, als sein Vater ihn wenige Minuten vor Spielende spontan ins Stadion mitnimmt, um den Sieg der britischen Mannschaft zu verfolgen. Eine gelungene Mischung zwischen Komödie und Tragödie – und jüdischem und britischem Humor.
Zu bedauern ist allerdings, dass das Jewish Film Festival dieses Jahr zwar eine große Auswahl vielversprechender israelischer Filme zeigt, von den erfolgreichen israelischen Produktionen der diesjährigen Berlinale aber nur The Bubble (Eytan Fox, 2006) erneut eine Chance bei den Berliner Zuschauern bekommt. Der Spielfilm The Bubble, eine schwule Liebesgeschichte zwischen einem Israeli und einem Palästinenser in einer Schicki-Micki-Gegend von Tel Aviv, bleibt in seiner Qualität hinter Beaufort von Joseph Cedar (Silberner Bär, Berlinale 2007) und vor allem hinter der Kibbuz-Tragödie Sweet Mud von Dror Schaul (Gläserner Bär, Berlinale 2007) um Längen zurück.
Dennoch müssen die Zuschauer auf das Kibbuz-Thema nicht ganz verzichten: Der Spielfilm Galilee Eskimos (Jonathan Paz, 2006) beschäftigt sich mit der Privatisierung eines Kibbuz. Auch die Liebhaber von Daily Soaps kommen dieses Jahr auf ihre Kosten: Eröffnet wird das 13. Jewish Film Festival mit einer Matinée. In insgesamt 320 Minuten werden alle acht Teile der israelischen Kultserie A Touch Away (Ron Ninio, 2006) gezeigt, in der sich die Wege von alteingesessenen ultra-othodoxen Juden mit denen russischer Neueinwanderer kreuzen.

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