von Uta von Schrenk
Er wollte wohl noch größeren Wirbel vermeiden. Nach einer mehr als zweijährigen Auseinandersetzung hat der Chef der Deutschen Bahn, Hartmut Mehdorn, nun einer Ausstellung über die Deportationen von Juden mit der Reichsbahn während des Nationalsozialismus zugestimmt. Am 27. Januar 2008 soll die Wanderausstellung eröffnet werden, in deren Mittelpunkt »das unermeßliche Leid der deportierten jüdischen Kinder« stehen wird, wie es in der Mitteilung der Bahn AG heißt.
In die Ausstellung sollen auch jene Fotos, Briefe und Dokumente der jüdischen Kinder einfließen, deren Schicksale Beate und Serge Klarsfeld von der Initiative »Söhne und Töchter der deportierten Juden Frankreichs« recherchiert und bereits erfolgreich in französischen Bahnhöfen gezeigt haben. Mehdorn hatte sich gegenüber der Klarsfeld-Initiative bislang hartleibig gezeigt und sich eine Konfrontation der Bahnreisenden nach dem Motto »Shock and go« verbeten. Beate Klarsfeld hatte Mehdorn ihrerseits »fehlendes Verantwortungsgefühl« bescheinigt. Der Sprecher des Bahnkonzerns, Oliver Schumacher, spricht nun von »einer guten Lösung« und sagt: »Jetzt geht’s an die Arbeit.«
Nachdem sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bereits im Frühjahr in einem persönlichen Brief an Mehdorn gewandt hatte, die Ausstellung doch zu zeigen, drohte in dem Konflikt nun ein parlamentarisches Verfahren. Der Zentralrat der Juden hatte die Abgeordneten des Bundestages gebeten, sich der Sache anzunehmen. In der Folge hatte unter anderem der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck Konzernchef Mehdorn aufgefordert, sich kompromißbereit zu zeigen. Nachdem es im Spätsommer fast zu einer Einigung gekommen wäre, betonte Mehdorn jedoch nochmals: »Die Deutsche Bahn behält sich das Recht vor, selbst zu entscheiden, wie wir mit der Vergangenheit verantwortlich umgehen.« Schließlich gebe es eine erfolgreiche Dauerausstellung zur Rolle der Reichsbahn im Holocaust. »Beschämend und geschichtsblind« nannte der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, die Haltung von Mehdorn und wollte die Weigerung der Bahn auf die Tagesordnung des Parlaments setzen. Eine entsprechende Initiative war bereits erarbeitet. Diesem Image-Gau ist Mehdorn mit seinem Einlenken zuvorgekommen. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse, der vor einigen Wochen öffentlich dazu aufgefordert hatte, diesen »zähen und überflüssigen Streit« endlich zu beenden, und dafür einen wütenden Brief von Mehdorn kassierte, sagt, »daß es manchmal eben der öffentlichen Debatte und des politischen Drucks bedarf. Daß ein Firmenchef dann doch das tut, was ihm zunächst als höchst unangenehm erscheint, zeigt, daß unsere Demokratie moralisch funktioniert.«
Beim Zentralrat der Juden ist man erleichtert, daß der quälende Streit um die Ausstellung nun ein Ende hat. Charlotte Knobloch, Präsidentin des Zentralrats, nannte die Einigung einen »ersten und wichtigen Schritt auf dem Weg der Realisierung des Projekts«. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, fügt hinzu: »Wie wir schon bei der Dresdner Bank gesehen haben, ist noch viel Überzeugungsarbeit bei den Vorständen zu leisten, sich mit der eigenen Firmengeschichte offensiv auseinanderzusetzen. Die positiven Beispiele Bank und Bahn haben nun hoffentlich Signalwirkung.”
Beate Klarsfeld will gern das Material über 11.000 deportierte Kinder aus europäischen Ländern beisteuern, darunter auch 750 aus Deutschland. »Wir sind auch gerne bereit, die Ausstellung zu begleiten, falls Zeitzeugengespräche und Diskussionen erwünscht sind.« Der Zentralrat will Klarsfeld unterstützen, »schließlich hat sie die Initiative zu dieser Ausstellung in Deutschland gestartet«, so Präsidentin Knobloch.