von Wladimir Struminski
Die Aufregung war groß. Israel, meldete Ende letzter Woche die Tageszeitung Haaretz unter Berufung auf Minister Rafi Eitan, wolle mit Deutschland über eine Neuauflage des Entschädigungsabkommens von 1952 verhandeln. Offiziell ist Eitan Chef des Ressorts für Rentnerangelegenheiten, doch wurde er von Ministerpräsident Ehud Olmert auch mit der Betreuung der Entschädigung für Holocaustüberlebende und der Rückerstattung des während der NS-Verfolgung geraubten jüdischen Vermögens beauftragt.
Berlin reagierte unwirsch. Nachverhandlungen lehnte das Bundesfinanzministerium mit Nachdruck ab. Bei seinem bevorstehenden Israelbesuch werde Bundesfinanz- minister Peer Steinbrück das Thema nicht erörtern; ein Treffen mit Eitan sei nicht geplant. Eitan sagte inzwischen, von Wiedergutmachungsverhandlungen habe er gar nicht gesprochen, das Zitat sei falsch. Alles, was er vorgeschlagen habe – und zwar schon vor einiger Zeit –, sei eine gemeinsame Überprüfung der Bedürfnisse gealterter Schoa-Überlebender. Zu diesem Zweck, so Eitans Sprecherin, solle eine gemeinsame Arbeitsgruppe der Finanzministerien beider Länder gebildet werden. Für dieses Ansinnen habe Eitan die Rückende-ckung des israelischen Kabinetts. Indes: Aus israelischer Sicht soll das Projekt nicht der reinen Forschung dienen, sondern letztlich zu finanziellen Leistungen führen. Deutschland, stellt Eitan klar, stehe gegenüber den Schoa-Überlebenden in der Verantwortung.
Nicht zum ersten Mal kommen deutsche Nachzahlungen zu bestehenden Entschädigungsleistungen zur Sprache. Es hat durchaus israelische Versuche gegeben, das Abkommen nachzubessern, mit dem die Bundesrepublik Israel seinerzeit einen Ausgleich für den bei der Eingliederung von Holocaustüberlebenden entstandenen Aufwand gewähren wollte. Später stellte sich heraus, dass die Betreuung immigrierter NS-Verfolgter um ein Vielfaches teurer war, als Anfang der 50er-Jahre geschätzt wurde. Bei der deutschen Wiedervereinigung machte Israel zudem – historisch korrekt – den Umstand geltend, die DDR habe keinen Beitrag zur Entschädigung geleistet. Mit seinen Ermahnungen kam Israel jedoch in den 70er- wie in den 90er-Jahren nicht allzuweit. In diesem Sommer brachte Jerusalem ein anderes Anliegen vor: Deutschland, so Ministerpräsident Olmert, möge Zahlungen für die rund 8.000 in Israel lebenden ehemaligen KZ- und Ghettohäftlinge finanzieren, die bisher keine Entschädigungsrente beziehen. Eine Entscheidung über dieses Begehren steht noch aus.
Natürlich passt Eitans Vorstoß den Berliner Haushaltsplanern nicht ins Konzept. Zugleich ist unbestritten, dass viele NS-Verfolgte bei Entschädigungszahlungen nicht gebührend bedacht worden sind und heute, im fortgeschrittenen Alter, darunter besonders leiden. So steht der deutschen Politik – nicht zum ersten Mal – ein Balanceakt zwischen Geld und Moral ins Haus. Abhilfe erhofft sich der Ex-Geheimdienstler Eitan da- bei nicht vom Finanzministerium, sondern von der Regierungsebene in Berlin.