Tiere ziehen immer Aufmerksamkeit auf sich. Sie erheitern, sind unschuldig und deshalb populär. Dies erklärt, warum sie in der Propaganda von Rechtsextremisten eine zentrale Rolle spielen. Etwa bei der NPD. Die Sympathie für Tiere wird instrumentalisiert, um zu antidemokratischen und rassenbiologischen Positionen überzuleiten. Zum Beispiel beim Schächten. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in der vergangenen Woche einem muslimischem Metzger aus Mittelhessen, dass er weiterhin ohne Betäubung und ohne Anwesenheit eines Tierarztes schlachten darf.
»Skandalurteil« Seit 15 Jahren schon kämpft der Metzger mit der Justiz. Und immer wieder wurde sein Fall von Neonazis aufgegriffen. Etwa von Patrick Wieschke, der es vom verurteilten Gewalttäter – er war an einem Sprengstoffanschlag auf eine Dönerbude beteiligt – bis zum hauptamtlichen NPD-Funktionär brachte. »Skandal-Urteil erlaubt Schächten in Deutschland«, resümierte Wieschke zum Fall des hessischen Fleischers in dem NPD-finanzierten Thüringer Anzeigenblatt »Wartburgkreisbote«, um fortzufahren: »Nur in derart verseuchten Richterhirnen, mit einem Korpus ohne Rückgrat und Herz, dem Multi-Kulti-Wahn verfallen, vermag so grauenhafte, archaische und anachronistische, nach Deutschland eingeschleppte Tierquälerei wie betäubungsloses Tierabmetzeln zur Religionsausübung mutieren.«
Im Wahlprogramm der bayerischen NPD hieß es im vergangenen Jahr, die Partei trete »für einen effektiven und konsequenten Tierschutz ein«. Ein paar Silben später kommt dann die Verbindung zum Antisemitismus und Antiislamismus: »Neben zahlreichen anderen mitteleuropäischen Traditionen entgegenstehenden Unsitten, ist es insbesondere die Praxis des Schächtens von Schlachttieren durch Moslems und Juden, welche von der NPD konsequent abgelehnt wird.«
ns-propaganda Die Ideologie hinter ihrer vermeintlichen Tierliebe zeigen unverhohlen die sogenannten Autonomen Nationalisten (AN), eine Gruppe besonders radikaler junger Neonazis, die im Ruhrgebiet stark ist und Verbindungen zur NPD pflegt. In einem Pamphlet aus Marl wird an das »Reichstierschutzgesetz von 1934« erinnert. Immer wieder gerieren sich AN-Mitglieder als kämpferische Tierschützer. »Wie vieles andere ist die gesamte bürgerliche Tierrechtsbewegung auf nationalsozialistische Forderungen zurückzuführen.« Schließlich erinnert der Autor daran, dass »von allen Berufsständen Deutschlands der größte Prozentsatz der Tierärzte der nationalsozialistischen Partei angehörte«. In dem Pamphlet taucht auch folgendes Zitat aus der »Weißen Fahne« auf, einer Propagandazeitschrift der NSDAP für Jugendliche: »Weißt Du, dass Dein Führer schärfster Gegner jedweder Tierquälerei, vor allem der Vivisektion, der wissenschaftlichen Tierfolter ist, dieser entsetzlichen Ausgeburt der jüdischen Schulmedizin, von der er erklärt, dass im national- sozialistischen Staat diese Zustände sehr bald beendet sein werden?« Einzig den Begriff »jüdisch« aus dem Originalzitat hat der Verfasser durch Sternchen und den Begriff »materialistisch« ersetzt.
umdeuten Für ihren ideologisch motivierten Tierschutz haben die Neonazis sogar ein eigenes Emblem kreiert: ein rundes Logo mit einer schwarzen Fahne als Symbol für den »nationalen Widerstand«, da- neben eine grüne Fahne. Der Tierschutz wird von der neuen Generation Neonazis zu allen möglichen Gelegenheiten und Aufmärschen wieder hervorgekramt. Meist ist dann das schwarz-grüne Logo mit dabei, auf Fahnen, Aufklebern und Buttons. Es gehört zur Strategie, mehrheitsfähige Themen zeitgemäß umzudeuten. So versteht sich die rechte Szene als tierfreundlich und antikapitalistisch, aber argumentiert wird stets antisemitisch. Ein führender NPD-Funktionär begründet das so: »Natürlich wissen wir, dass mehr Menschen solche Standpunkte vertreten, als dass Menschen direkt hinter der NPD stehen.«