Ausbau einer Nische
Deutschlands Wirtschaftsminister Glos besuchte Israel
von Wladimir Struminksi
Lange Jahre glänzten deutsche Wirtschaftsminister in Israel durch Abwesenheit. Dann aber ging es Schlag auf Schlag. Im Juni 2005 erwies der damalige Amtsinhaber, Wolfgang Clement, dem Staat seine Reverenz und setzte sich für einen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel ein. In der vergangenen Woche folgte Michael Glos (CSU) den Spuren seines Vorgängers, um dem Wunsch nach mehr Handel und Wandel auf die Sprünge zu helfen. Zentraler Punkt des Programms: Gemeinsam mit seinem israelischen Amtskollegen Eli Jischai (Schas) nahm Glos an der Gründung des »Deutsch-Israelischen Wirtschaftsrates« teil. Das neue Gremium, von Wirtschaftsorganisationen ins Leben gerufen, will Unternehmen beider Länder enger zusammenführen. Durch Informationsaustausch, Kon- taktbörsen und politische Arbeit soll der Wirtschaftsaustausch angekurbelt werden.
Es wird auch Zeit für neue Impulse. Zwar war Deutschland auch im vergangenen Jahr Israels zweitgrößter Handelspartner, wenn man vom über Belgien abgewickelten Diamantenhandel absieht. Aller- dings holen andere Länder auf. Nicht nur Billiglohnländer wie China und die Türkei, sondern auch Großbritannien oder die Niederlande haben ihre Exporte nach Israel in den letzten Jahren kräftig ausgebaut. Dagegen fällt der deutsch-israelische Handel vor allem durch Stagnation auf. »Wenn wir uns nicht anstrengen«, warnte der israelische Geschäftsmann und Hotelier Michael Federmann zum Auftakt der Ministervisite, »wird Deutschland von anderen überholt.«
Der entscheidende Grund für den Handelsstillstand ist ein nur begrenztes Interesse der Unternehmen auf beiden Seiten, mit dem jeweiligen Partnerland Handel zu treiben. »Deutsche Firmen, vor allem aus dem Mittelstand, die mehr exportieren wollen, gehen zuallererst nach Osteuropa und dann nach China oder in die USA«, erklärt ein Unternehmensvertreter. »Dagegen ist Israel nur ein Nischenland.« Denn es nimmt nur vier Promille der deutschen Exporte ab. Zwar kann die Nische ausgebaut werden, doch wird dies an der Größenordnung nicht viel ändern. In umgekehrter Richtung ist der Handel noch spärlicher. In den letzten Jahren ging der Anteil Deutschlands an der israelischen Warenausfuhr deutlich zurück und lag 2005 bei nur noch 3,1 Prozent.
Das heißt nicht, daß die Wirtschaftsbeziehungen nicht ausbaufähig wären. Allerdings müssen die Impulse dazu über den bloßen Warenaustausch hinaus einen Ausbau der unternehmerischen Kooperation beinhalten. Nicht umsonst mahnte Anton Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels und deutscher Vorsitzender des neuen Wirtschaftsrates in Tel Aviv, mehr Gemeinschaftsfirmen, Technologietransfer sowie verstärkte gemeinsame Forschung und Entwicklung an. Das sah eine Reihe von Glos’ Begleitern aus der Wirtschaft ähnlich. »Mit israelischer Technologie kann unser Unternehmen seine Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt stärken«, stellte ein mitreisender Manager fest. Umgekehrt ist die Bundesrepublik für israelische Unternehmen ein wichtiges Sprungbrett in die EU. Glos’ Gastgeber Jischai war das Thema wichtig genug, um es im Gespräch mit dem Besucher nachdrücklich anzusprechen. Seinerseits warb Glos für mehr israelische Investitionen am Standort Deutschland. Die Weichen zumindest scheinen gestellt.