von Christine Diller
Die Skulptur stellt einen Davidstern dar, in seinem Inneren prangt der bayerische Löwe, »mit diesem komischen Schwanz und dieser komischen Zunge«, wie Josef Schuster lachend bemerkt. Das Wappentier mit seinen lustig geschlängelten Körperteilen, umrahmt von dem regelmäßigen Hexagramm, hat Schuster in seiner Funktion als Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern kürzlich an Edmund Stoiber verliehen: Es symbolisiert den neu geschaffenen Rabbiner-Spiro-Preis, mit dem besondere Verdienste um das Judentum ausgezeichnet werden.
Die kleine Plastik sagt aber noch viel mehr aus: »Wir wollten damit klar zeigen, dass wir uns als fest verwurzelter Bestandteil Bayerns fühlen«, so beschreibt es Schuster. Und das ist auch eine Antwort auf Stoiber, der das jüdische Museum in Fürth 1999 mit den Worten eröffnete: »Die Juden sind der fünfte Volksstamm Bayerns.«
Nach 60 Jahren sei die Zeit des Improvisierens endgültig vorbei, sagt Schuster: »Man stellt sich nicht mehr die Frage: ›Soll es das geben, jüdisches Leben in Bayern?‹« 1947 musste man sich das durchaus fragen: Damals wurde der Landesverband gegründet, um den Überlebenden des Holocaust die Zeit auf den »gepackten Koffern« zu erleichtern. Denn die meisten jüdischen Displaced Persons, von denen ein Großteil in Bayern gestrandet war, wollten sich verständlicherweise nicht in Deutschland niederlassen. Entsprechend lapidar schrieb Gründungspräsident Philipp Auerbach an den bayerischen Innenminister: »Ich habe die Ehre Ihnen mitzuteilen, dass ich in der verfassungsgeben- den Sitzung am Sonntag, dem 12. Januar, an der die Vertreter der traditionellen deutsch-jüdischen Gemeinden von München, Augsburg, Nürnberg, Fürth und Würzburg teilnahmen, einen Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden gegründet habe.«
Was damals als vermeintliche Abwicklungsaufgabe begann, wandelte sich zum Wiederaufbau jüdischen Lebens in Bayern. Und seit 1997 mit dem Freistaat Bayern ein Staatsvertrag geschlossen wurde, erhalten die Gemeinden die zuvor freiwilligen Zuwendungen des Staates auch auf einer rechtlichen Basis.
Zwölf Mitgliedsgemeinden hat der Landesverband heute und umfasst das ganze religiöse Spektrum. Ihm gehören die Gemeinden Amberg, Augsburg, Bamberg, Bayreuth, Erlangen, Fürth, Hof, Nürnberg, Regensburg, Straubing, Weiden und Würzburg an. Die Israelitische Kultusgemeinde in München und Oberbayern jedoch trennte sich in den 90er-Jahren von dem Verband. Immer wieder hatte es Streit gegeben, ob die kleinen Gemeinden mit ihrer Stimmenzahl überrepräsentiert seien im Vergleich zur größten Mitgliedsgemeinde München. »Seit die Zwangsehe aufgelöst wurde, ist das Verhältnis einfacher und entspannter. Wir vertragen uns sehr gut miteinander«, sagt Schuster, der als sehr ausgleichend bekannt ist im Gegensatz zu seinem durchaus streitbaren Vorgänger Simon Snopkowski.
Warum eigentlich hat der Landesverband kürzlich sein 60. Jubiläum dann in der Münchner Residenz begangen? »Weil es die Landeshauptstadt ist und hier eine gewisse Öffentlichkeit für unsere bayernweite Arbeit gegeben ist«, sagt Schuster. Und die besteht traditionell in der politischen Interessenvertretung gegenüber der Staatsregierung, etwa beim Neubau der Synagogen und Gemeindezentren in Bamberg und Würzburg.
Neben der Senioren- und Krankenfürsorge und gemeindeübergreifender Jugendarbeit kümmert sich der Verband auch um die Pflege von mehr als hundert geschlossenen und verwaisten jüdischen Friedhöfen in Bayern. Mit dem Ende der Sowjetunion hat sich allerdings seine Bedeutung seit den 90er-Jahren verändert: Innerhalb kürzester Zeit stieg die Mitgliederzahl in den Gemeinden um ein Vielfaches. »Die Integration osteuropäischer Juden gelang in den letzten 15 Jahren immer besser«, stellt Schuster fest. »Wir unterstützen vor allem den jüdischen Lebenswandel und sehen die Synagoge als Mittelpunkt«, beschreibt Schuster die Schwerpunkte, die der Landesverband dabei setzt. »Und wir hoffen, dass es uns gelingt, die junge Generation für das Bestehende zu interessieren und für die Zukunft zu gewinnen.«
Nötig sei dazu allerdings eine personelle Verstärkung. »Mehr Sozialarbeiter und verstärkte Nachwuchsförderung für die Aufgaben als Rabbiner, Kantor und Lehrer«, fordert Schuster. Zwei Stipendien unterhält der Landesverband derzeit an der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg. Eine Ausdehnung dieses Engagements, das wäre für den Vorsitzenden des Landesverbandes ein Zukunftswunsch.