Aus Wohnzimmer und Synagoge
Königswinter: Museum zeigt jüdisches Leben damals und heute
von Matilda Jordanova-Duda
Ins Gästebuch hat ein Teenager ein wahres Kompliment geschrieben: »Zeitzeuge=cool«. Das gilt Günter Steeg, der oft Gäste durch die Sonderausstellung »Jüdisches Leben im Rheinland« im kleinen Brückenhof-Museum von Königswinter-Oberdollendorf führt. Einige der Exponate erzählen seine eigene Geschichte und die seiner Großmutter Caroline Levi. Steeg hielt sich mit seiner Mutter monatelang in einem Keller vor den Nazis versteckt, nachdem der Dorfpolizist ihnen einen Tipp gegeben hatte. Großmutter Levi kam im KZ ums Leben.
Das idyllisch gelegene Fachwerkhaus am Fuße des Siebengebirges besuchen Touristen, Familien, Schulklassen sowie Vereine. Seit einem knappen Jahr existiert die Sonderausstellung, die noch bis September zu sehen sein wird, einige Tausend Besucher waren schon dort. »Für ein kleines Museum auf dem Lande einmalig«, sagt Leah Rauhut-Brungs, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Bonn und Mitorganisatorin. Zu Sukkot lockte sie die Gäste mit Äpfeln, Honig und koscherem Wein, an Chanukka gab es israelischen Punsch für die Großen und einen Zauberer für die Kleinen. Zu Pessach wird Mazze und Maror für die Besucher zubereitet.
Riechen, fühlen, schmecken: Das sinnlich-informative Konzept hat sich bewährt, sind sich Rauhut-Brungs und Museumsdirektor Lothar Vreden einig. »Wir haben die Betonung auf das Leben gesetzt«, sagen die beiden. Nicht die Schoa, jüdisches Leben damals und heute solle im Mittelpunkt stehen.
In der Welt der rheinischen Dörfer gehörten die Juden selbstverständlich dazu. In einer Vitrine steht ein silberner Kuchenteller: ein Hochzeitsgeschenk der Levis für ihre christlichen Nachbarn. Ein Herr namens Apfel hatte den Schützenverein im Ort mitgegründet, ein »Süßkind« wurde noch 1932 Schützenkönig.
Noch immer scheuten sich die Leute zuzugeben, dass sie etwas aus jüdischem Besitz hätten, sagt Vreden, der als pensionierter Grundschullehrer fast jeden im Ort kennt. Gerade hat er eine Menora als Leihgabe bekommen, aber die jetzigen Besitzer wollten nicht genannt werden. Neben aller Begeisterung für die gelungene Ausstellung gebe es auch diejenigen, die fragten: »Wann ist das hier endlich vorbei?«
Viele Ausstellungsstücke haben Leah Rauhut-Brungs und Mitglieder der Bonner Synagogengemeinde von zu Hause mitgebracht: Schabbat-Leuchter, Seder-Teller, verschiedene Kippot, hebräische Lehrbücher und Spielzeug. Die Gemeinde hat einige Schätze aus den Schränken geholt: eine prachtvolle Tora-Rolle, eine filigrane Zedaka-Büchse aus dem 17. Jahrhundert und eine Philippson-Bibel, illustriert vom französischen Maler und Grafiker Gustave Doré. Rabbiner Ludwig Philippson hatte die Tora ins Deutsche übersetzt, als er sich in Bonn zur Ruhe setzte. Das war damals eine der ersten reformierten Gemeinden, hier wurden die Auseinandersetzungen zwischen Orthodoxen und Liberalen ausgetragen, erzählt Rauhut-Brungs. Das sei auch ein Teil der deutschen Geschichte. Zu schade, um in einem Schrank zu verschwinden.
www.brueckenhofmuseum.de