von Peter Bollag
Die Marke kennen viele. Blusen, Jeans und Accessoires von »Tally Weijl« hängen in Shopping Malls der halben Welt. Wenige aber wissen, daß es sich nicht nur um ein Label handelt, sondern um eine der erfolgreichsten Frauen der Modebranche. Die heute 46-jährige Tally Weijl hat es von der Außenseiterin zu einer der gefragtesten Designerinnen gebracht. Heute betreibt sie über 340 Geschäfte in 23 Ländern mit mehr als 1200 Angestellten.
Geboren wurde Weijl als Tochter holländisch-rumänischer Eltern in Tel Aviv. Doch nach dem Yom Kippur-Krieg empfand vor allem ihr Vater die Situation in Israel als zu schwierig. Also siedelte die damals dreizehnjährige Tally mit ihren Eltern und dem Bruder in die holländische Heimat des Vaters um. Bis es sie als junge Erwachsene in das schweizerische Lausanne zog, wo sie die Hotelfachschule besuchen wollte. Sie mußte sich mit einem Platz auf der Warteliste zufriedengeben – und nutzte die Zeit um eine Mode zu kreieren, die Jugendliche ansprechen sollte. Schließlich habe sie als kleines Mädchen schon gerne Fotos aus Zeitschriften und Katalogen ausgeschnitten, um daraus Collagen zu basteln. Ein »fashion victim« sei sie gewesen, erzählt die zierliche blonde Frau. Womit sie gewiß nicht den Ausdruck für jemanden meint, der beim eigenen Outfit über das Ziel des guten Ge- schmacks hinausschießt. Nein, seit sie ein kleines Mädchen war, sei sie der Mode mit Leib und Seele verfallen.
In der Schweiz lernte Weijl ihren ersten Mann Beat Grüring kennen. Mit ihm eröffnete sie 1984 die erste Boutique. »Sexy Mode für selbstbewußte junge Frauen« entwirft das Paar. Jeans, Shorts ebenso wie neckische Blusen oder knappe Tops. Sie kommen an bei der Generation junger Frauen, die ihrem weiblichen Selbstbewußtsein nicht mehr nur mit feministischen Parolen Ausdruck verleihen wollen. Den Begriff »Totally sexy«, den sie ihrer Mode verpaßt, will Weijl aber nicht mißverstanden wissen. In den Katalogen ihrer Kollektion und auf ihrer offiziellen Website mögen sich langmähnige blonde Models mit wenig Textilien am Leib lasziv an pinkfarbene Plüschbunnies schmiegen. Sie verkaufe aber keinen Sex, sagt Weijl, die zu unserem Gespräch in einem schlichten, geradezu unauffälligen Outfit erscheint. Allenfalls »Sexiness« und das sei ein Lebensgefühl. Für junge Mädchen, insistiert sie, habe das Wort »Sex« ohnehin keine erotische Konnotation. Daß nicht alle diesen Unterschied begreifen und Schweizer Feministinnen ihr im letzten Jahr den »Goldenen Phallus« wegen der angeblich zu aufreizenden Posen ihrer Models verleihen, stört sie wenig.
Politisch problematischer könnte es für sie auf buchstäblich anderem Gebiet werden. Zu ihrem Firmenimperium gehören mittlerweile auch Geschäfte im Libanon, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar. (Allerdings nicht in Israel). Die Produktion findet unter der Leitung ihres zweiten Ehemanns, des Franzosen Armand Alfassi, in Marokko statt. Sie wisse wohl, daß freizügige Mode gerade in vielen arabischen Staaten nicht besonders geschätzt wird. Und daß es nicht ohne politische Brisanz ist, wenn deren Schöpferin ursprünglich aus Israel stammt. Aber jenseits der rein geschäftlichen Angelegenheiten sieht Weijl in ihren Unternehmungen auch Potential. Sie könne sich durchaus vorstellen, zwischen ihrer »ehemaligen und zugleich zweiten Heimat« Israel und den Menschen in den arabischen Staaten zu vermitteln. Auch wenn es dabei eher um eine »rein zwischenmenschliche Ebene« gehen müßte, sagt sie, »als um Angelegenheiten in der Welt der Hochpolitik, in der ich mich nun einmal nicht primär bewege.«
Immerhin: politischen Fragen weicht Weijl keineswegs aus: sie sei für eine gerechte Lösung des Konfliktes im Nahen Osten, die auch den Palästinensern ein Leben in Frieden ermögliche. Aber »nicht für einen Frieden um jeden Preis«.
Mit ihren beiden sechs und neun Jahre alten Söhnen feiert sie an ihrem Wohnort Zug in der Zentralschweiz die jüdischen Feste. Ihr selbst ist das Judentum wichtig und auch ihren Söhnen möchte sie einen »festen Bezugsrahmen« ermöglichen. Mit diesem kurzen Einblick in ihr Privatleben beendet Weijl das Gespräch. Sie muß dringend zu einem Phototermin, eine Illustrierte hat sie als Model ihrer eigenen Mode angefragt. Danach wird sie, wie immer, zwischen dem Wohnort Zug, ihrem Designerbüro in Paris und der neuerdings nach Basel verlegten Firmenzentrale pendeln.
Aus strategischen Gründen habe sie das Dreiländereck zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland gewählt, sagt sie. Der deutsche Markt werde für sie immer wichtiger. Und die europäische Verteilzentrale von Tally Weijl liegt seit 2005 ohnehin nah bei Basel im badischen Lörrach. Ein bißchen Nostalgie mag ebenfalls mitgespielt haben. In Freiburg im Breisgau nahm ihr Modeimperium seinen Anfang. Dort eröffnete sie vor elf Jahren ihr erstes Geschäft außerhalb der Schweiz.