von Harald Loch
Heinrich Heine war ein Mensch voller Widersprüche: Ein deutscher Patriot, der in Paris im Exil lebte, ein protestantisch getaufter Jude, der seine Ehe katholisch schloß und gottlos brach. Er stritt unerbittlich gegen die deutsche Zensur und machte ihr kompromittierende Zugeständnisse. Er war mit Karl Marx befreundet und kritisierte die linksradikalen Sozialisten. Er focht als politischer Publizist vehement gegen die Reaktion, doch die Kühnheit seiner Feder war mit einer pragmatischen Hasenfüßigkeit vor den Mächtigen gepaart. Sein Wort war Klartext, seine Waffe die Ironie. Aber nicht nur: Der Streitsüchtige hat wenigstens zwei Duelle gefordert.
Heines literarisches Werk ist von unterschiedlicher Qualität: Er schrieb kunsthandwerkliche Gedichte neben ewigen Bestandteilen der Weltliteratur, verfaßte zeit- geschichtlich durchwirkte Reiseberichte und gilt als einer der Erfinder des Feuilletons. Marcel Reich-Ranicki nannte ihn in seinem Büchlein Der Fall Heine (DVA) »einen Romantiker vom Geschlecht der Aufklärer und vom Rang der Klassiker«. Die beste Annäherung an den dichtenden homo politicus Heine bietet Ludwig Marcuses biographischer Essay von 1932, der bei Diogenes neu erschienen ist: Heinrich Heine – Melancholiker, Streiter in Marx, Epikuräer. Marcuse stellt Heine in seine Zeit und entwickelt dabei ein lebendiges Panorama der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Der im Herbst 2005 verstorbene ungarisch-jüdische Autor István Eörsi besucht in seinem poetischen Doppelbild Hiob und Heine (Wieser-Verlag) Heine an seinem Grab am Montmartre und hält dort Zwiesprache mit ihm. Eörsi erzählt dem toten Dichter von dem lange gehegten Unwillen der Düsseldorfer Universität, sich nach Heine zu benennen, was diesen gar nicht so sehr stört: »Es stimmt zwar traurig, daß meine Schriften immer noch aktuell sind, denn das bezeugt, daß die teutonische Stumpfsinnigkeit ungebrochen ist, andererseits gereicht es dem Dichter zum höchsten Ruhm, wenn man ihn lange und leidenschaftlich verabscheut.«
Die Düsseldorfer Professoren kamen der Eitelkeit des Dichters auf Dauer nicht entgegen. Nach langem Streit wurde die Universität 1988 nach Heine benannt. Joseph A. Kruse zeichnet in seiner bei Suhrkamp veröffentlichten BasisBiographie Heinrich Heine die Geschichte dieses Namensstreits nach, der übrigens nicht der einzige war. Die Lehrer eines Mainzer Gymnasiums, darunter der Rabbiner Saalfeld, flehten 1893 die Stadtverordnetenversammlung an, »dem Verächter von Moral und Vaterlandsliebe doch um Gottes Willen nicht den Platz vor der Schule zu gewähren«. Heine hätte das nicht verwundert, hatte er doch über die »Familienähnlichkeit der Rabbinen, Muftis, Dominikaner, Konsistorialräte, Bonzen – kurz des diplomatischen Corps Gottes in der ganzen Welt« gespottet.
Zu Heines 150. Todestag sollte man aber nicht nur Texte über ihn lesen, sondern seine eigenen Schriften. Die große Düsseldorfer Gesamtausgabe seines alten Verlags Hoffmann und Campe ist vergriffen. Die von Klaus Briegleb herausgegebene günstige Taschenbuchausgabe Sämtliche Schriften (dtv) enthält mehr, als der Durch-schnittsleser braucht, dafür aber die wichtigen, einzeln nicht erhältlichen Prosatexte. Heines Fragment gebliebene Memoiren liegen in einer von Volker Kriegel illustrierten Ausgabe vor (Eichborn Berlin). Der beste Einstieg in Leben und Sprache Heines ist die von Jan Christoph Hauschild bei Aufbau herausgegebene Biographie in Briefen Leben Sie wohl und hole Sie der Teufel.
Am populärsten ist Heines Poesie – ein Katalog ihrer Vertonungen enthält annähernd 10.000 Eintragungen. Besonders schön gestaltet sind die Neuen Gedichte (Edition Büchergilde) und Deutschland. Ein Wintermärchen in einer Neuausgabe bei Insel. Für junge Leser empfiehlt sich die Auswahl Heine für Kinder bei Insel. Und zum nächsten Date sollte man statt Blumen Gib mir Küsse, gib mir Wonne mitbringen.Unter diesem Titel sind Heines frivole Gedichte bei Aufbau erschienen.