»Vater der Wasserstoffbombe« heißt es meist, wenn von Edward Teller die Rede ist. Kaum ein Wissenschaftler wird so hoch gelobt und zugleich so hart kritisiert wie der ungarisch-amerikanische Physiker, der am 15. Januar vor 100 Jahren geboren wurde. Kurz vor Tellers Tod 2003 verlieh Präsident George W. Bush dem »brillanten Denker« die Freiheitsmedaille, den höchsten zivilen Orden der USA. Jahrzehntelang habe sich Teller für die »nationale Sicherheit« seines gewählten Heimatlandes eingesetzt.
Pazifisten dagegen verurteilen Teller als »Feind der Menschheit«, etwa der Physik-Nobelpreisträger Isidor Isaac Rabi. Die Welt wäre »besser ohne jemanden wie Edward Teller«, so der 1898 in Galizien geborene Rabi. Nach Ansicht des Historikers Lawrence Wittner hat Teller, der Mann mit den buschigen Augenbrauen und dem breiten Akzent, das »nukleare Wettrüsten angeheizt wie kein anderer«.
Tellers Leben spiegelt die Konflikte und Kriege des 20. Jahrhunderts. Er kam 1908 in Budapest in einer gutbürgerlichen jüdischen Familie zur Welt. Er könne sich noch an das Gespräch seiner Eltern im Juni 1914 beim Mittag-
essen über das Attentat auf Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajevo erinnern, erzählte Teller in einem Interview. 1920 wurde Miklós Horthy (1868–1957) Reichsverweser von Ungarn. Dessen judenfeindliche Gesetze bewegten den hochbegabten Teller 1926 zur Ausreise nach Deutschland. 1930 promovierte er in Leipzig bei dem Physiker Werner Heisenberg über Aspekte der Quantentheorie. 1935 reiste Teller nach Aufenthalten in England und Dänemark in die USA.
Es waren Wissenschaftler, die vor dem NS-Regime flohen, wie die Physiker Albert Einstein, Hans Bethe, Leo Szilard und Teller, die Amerika vor der Gefahr einer Nazi-Atombombe warnten. Teller arbeitete in dem geheimen Manhattan-Projekt an der Entwicklung der amerikanischen Bombe. Er war beim ersten Atomtest am 16. Juli 1945 in Alamogordo im Bundesstaat New Mexico dabei. »Entgegen der Vorschriften blickte ich direkt in die Explosion«, erzählte Teller. »Ich hatte eine Schweißer-Schutzbrille aufgesetzt, Sonnencreme aufgetragen und Handschuhe angezogen. Ich habe der Bestie ins Auge geschaut.«
Teller wies auf die Gefahren einer sowjetischen Nuklearbombe hin und drängte Präsident Harry Truman zum Bau einer Superwaffe. Den Titel »Vater der Wasserstoffbombe« wies Teller jedoch als »unsinnig« zurück. Viele Wissenschaftler seien beteiligt, er allerdings sei der einzige gewesen, der Truman zum Handeln gedrängt habe.
In den 50er-Jahren wurde Teller zum Vorzeigewissenschaftler für Aufrüstung. Ein Atomkrieg, postulierte Teller, könne gewonnen werden: 90 Prozent der US-Amerikaner würden bei korrekter Vorbereitung überleben. Regisseur Stanley Kubrick soll Teller 1964 zum Modell für seine Satire »Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben« genommen haben.
Unter Kollegen war Teller zunehmend isoliert, nachdem er Mitte der 50er-Jahre gegen den Wissenschaftler des Manhattan-Projekts Robert Oppenheimer aussagte. Der politisch links stehende Oppenheimer sei ein Sicherheitsrisiko. Freunde fand Teller in der Nuklearindustrie. Er legte Pläne vor, mit nuklearen Explosionen einen Tiefseehafen in Alaska und einen neuen Panama-Kanal zu bauen.
Einen letzten Höhenflug erlebte Teller in der Reagan-Ära. Mit anderen half er, den Präsidenten davon zu überzeugen, dass die USA sich für einen Krieg im Weltall rüsten müssten. Teller starb ab 9. September 2003 im kalifornischen Stanford. Er habe immer nach seinen Überzeugungen gehandelt, sagte 1988 der sowjetische Atomwissenschaftler Andrei Sacharow über ihn.
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Edward Teller