Israels Forschungsszene macht immer wieder von sich reden. Geschieht dies im Hightech-Bereich und in den Naturwissenschaften – etwa in der Physik, Chemie, Mathematik und Neurophysiologie –, erkennt man nicht selten eine »russische Handschrift« dahinter. Mehr als 16.000 Wissenschaftler aus den GUS-Staaten kamen seit 1989 ins Land – ein beispielloser akademischer »Overkill«, der nur aufzufangen war durch ein gut gestaffeltes System von Forschungsstipendien, Technologie-»Inkubatoren« und Existenzgründerprogrammen.
Dies gelang nach Anlaufschwierigkeiten vergleichweise gut, und die Zuwanderer bedankten sich bald auf ihre Weise – mit einer Flut von neuen Technologien, Erfindungen und Publikationen. Schon Ende der 90er-Jahre schrieb das renommierte Journal »Science« vom »Russian Brain Gain« im Heiligen Land, doch mittlerweile gibt es große Irritationen. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem die »Russen« auch in der Politik ihre Akzente setzen, denkt die Regierung laut über Umstrukturierungen nach. Besonders gefährdet scheint das Elite-Förderprogramm »Kameya«, durch welches 500 zugewanderte Spitzenkräfte an den fünf israelischen Universitäten, aber auch an Forschungszentren wie dem Weizman-Institut in Rechowot parallel zu den etablierten Strukturen forschen können.
Kameya läuft seit zwölf Jahren und gilt als weltweit einzigartig. Eine überwiegend staatliche Finanzierung der Langzeit-Forschungsstipendien hat sich längst in zahlreichen internationalen Fachartikeln und wissenschaftlich-technischen Patenten ausgezahlt. Doch aus Regierungskreisen verlautet nun, man wolle im Rahmen anderer Programme Kameya neu evaluieren.
Bei nicht wenigen der russischen Wissenschaftler schrillten dabei die Alarmglocken. Sie schrieben offene Briefe an Regierung und Ministerien, listeten bisherige Erfolge des Eliteprogramms auf und warnten vor möglichen Abwanderungstendenzen. »Aus den zuständigen Stellen haben wir zunächst nur Funkstille vernommen«, erklärt Professor Jewgenij Kamenetskii von der Assoziation russischer Wissenschaftler enttäuscht. »Da blieb uns nur noch die Möglichkeit, das Problem auf die Straße zu tragen.«
Im September zogen Hunderte russischsprachiger Akademiker vor die Knesset, und vergangene Woche demonstrierten sie vor dem Einwanderungsministerium in Jerusalem. »Es ist ein ständiger Kampf, weil dauerhafte, verlässliche Zusagen der Regierung ausbleiben«, sagt Kamenetskii. »Nur die wenigsten von uns können ihre Forschungsprojekte zeitlich sinnvoll planen.«
Auch die Universitäten selbst befürchten den in Deutschland nur allzu bekannten »Brain Drain« – die Abwanderung wissenschaftlicher Fachkräfte. Koryphäen der israelischen Forschung – wie der Nobelpreisträger Aharon Chechanover – unterstützten einen offenen Brief an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zum Erhalt des Kameya-Programms ausdrücklich, und allein 300 Wissenschaftler vom Technion-Institut in Haifa unterzeichneten den Brief.
Überraschend dürftig fiel bisher aber die Unterstützung durch etablierte russische Politiker aus. Nathan Sharanskys Partei »Israel ba Alijah«, in den 90er-Jahren eine wichtige Stütze der zugewanderten Akademiker, löste sich vor einigen Jahren selbst auf. Avigdor Lieberman, mittlerweile Außenminister im Kabinett Netanjahu, setzt andere Prioritäten. Nur die Knesset-Abgeordneten Marina Solodkina, Robert Tevyaev (beide Kadima) und Zeev Elkin (Likud) zeigten bei der jüngsten Akademiker-Demo in Jerusalem Flagge und solidarisierten sich vorbehaltlos. Mitte vergangener Woche gab es dann doch noch einen kleinen Lichtblick: Buchstäblich in letzter Minute bewilligte die Regierung das Kameya-Programm für ein weiteres Jahr. Doch dass der Kampf um die Akademikerprogramme im nächsten Herbst von Neuem aufflammen wird, scheint mehr als wahrscheinlich.
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