Aufgrund der Tora heißt uns Judesein: Für das Individuum und die Gesamtheit jene überzeitliche, absolute Lebensordnung der Bibel anerkennen, die Pflicht der Selbsterhaltung nur im Hinblick auf eine ewige, unwandelbare Aufgabe für G-tt und die Menschheit erfassen.» Mit diesem Zitat des Gelehrten und Rabbiners Josef Carlebach hat der Leiter des religiösen Erziehungswesens der IKG, Marcus Schroll, bei der diesjährigen Abiturfeier die Aufgaben und Zielsetzungen, die er als Religionslehrer der gymnasialen Oberstufe seinen Schülern vermittelt, umschrieben.
leistungskurs Insgesamt 14 Gymnasiasten haben in diesem Sommer das Abitur in Israelitischer Religionslehre als Schwerpunktfach abgelegt. Zehn von ihnen hatten es als Grundkurs gewählt, vier hatten den Leistungskurs belegt. Von Letzteren hatten zwei auch ihre Facharbeit in Religion abgelegt: Anna Kotowa mit dem Thema «Der freie Wille und der Determinismus aus der Sicht der jüdischen Philosophie» und Benjamin Kalmanowicz mit dem Thema «Das jüdische Wohlfahrtswesen in Deutschland von der Aufklärung bis in die Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung der NS-Zeit». Für alle Abiturienten war die Beschäftigung mit der Tora als Mittelpunkt des Unterrichts eine Auseinandersetzung mit der eigenen Identität. Sie hätten gelernt, dass dies möglich sei, durch «Betalmud», also fleißiges Lernen, durch «bisch‹miat ha‹osen», aufmerksames Zuhören, «besikul halew», Herzensweisheit, «be‹ejma», Respekt vor dem Lehrer, «bejira», Ehrfucht vor G-tt und «befilpul hatalmidim», Diskussionen der Schüler, zitierte Schroll aus den Sprüchen der Väter.
Hingabe Und er ergänzte, dass gerade letzterem Punkt, den «pilpulim-Diskussionen, eure besondere Hingabe galt». Diese hätten den Unterricht immer wieder bereichert. «Wir sind stolz auf euch», gratulierte der Kultusdezernent und Vizepräsident der IKG, Nathan Kalmanowicz, den Absolventen. Viele von ihnen würden nun zum Studium Deutschland verlassen. Die Lehrer vom Kindergarten über die Sinaischule bis zum Gymnasium hätten ihnen Wichtiges mit auf den Weg gegeben. Entsprechend sollten sie nie vergessen, woher sie kommen. Er bezeichnete es als historische Errungenschaft in Deutschland, dass es hier nach der Schoa wieder jüdische Schulen gibt.
Aufrecht Auch Gemeinderabbiner Steven Langnas erinnerte daran, dass die Abiturienten in Frieden aufgewachsen sind. Er appellierte an sie: «Bleibt aufrechte Juden und vergesst nicht, woher ihr kommt.» Die Absolventen dankten ihren Lehrern mit einem Rückblick auf 13 Schuljahre und die vorausgegangene Kindergartenzeit, in der sie bereits mit viel persönlicher Zuwendung in das jüdische Leben eingebunden worden sind. Die Schule habe sie für das Leben gut vorbereitet, verabschiedete Präsidentin Charlotte Knobloch die jungen Menschen. «Ohne die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, kommt man nicht weiter im Leben.» Dabei sollten sie aber nicht vergessen, «dass euch die Türen unserer Gemeinde immer offen stehen. Eure Zukunft ist auch die Zukunft der Gemeinde.» Gemeinsam mit ihren Familien feierten die jungen Frauen und Männer abschließend bei einem kleinem Empfang den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt.
Abifahrt Als Vertreterin des Kultusministeriums war Friederike Rappel ins Gemeindezentrum gekommen und vom Münchner Luitpold-Gymnasium Schulleiter Hel- mut Kirmaier und der Kollegstufenbetreuer Herbert Heuring. Ein paar Tage später brachen die Absolventen dann zu ihrer Abiturfahrt auf. In diesem Jahr hatte die Kultusgemeinde eine Reise nach Frankfurt gesponsert. Nach der Ankunft gab es ein festliches Mittagessen im Restaurant Sohar‹s, das von Schiurim zum jüdischen Leben in Frankfurt, gehalten von Rabbiner Yechiel Brukner und Marcus Schroll umrahmt wurde.
Anschließend standen der Besuch des jüdischen Museums sowie des Grabes des Pnej Jehoschua, Rabbiner Jakob Falk, auf dem Programm. Am Abend fuhr man voll mit Eindrücken über die reiche jüdische Geschichte Frankfurts mit dem Zug wieder zurück nach München.