von Elke Wittich
Wer am vergangenen Freitag um 15 Uhr das Rundfunkprogramm des Berliner Offenen Kanals (OKB: UKW-Frequenz 92,6 im Kabelnetz oder 97,2 MHz über Antenne) eingeschaltet hatte, wurde Zeuge einer Deutschlandpremiere: Zum ersten Mal ging hier ein Programm in hebräischer Sprache auf Sendung.
Hauptzielgruppe von »Kol Berlin«, (Stimme Berlins) sind vor allem die in der Hauptstadt lebenden Israelis, wie die Macher erzählen. Zu viert haben sie in einem der OKB-Hörfunkstudios die erste Sendung vorbereitet. Shlomi Berger ist der Initiator des Projekts. Bevor er im Jahr 2000 nach Deutschland kam, hatte er in Israel »bereits viel für Rundfunk und Fernsehen gearbeitet«. Jetzt arbeitet der 37jährige Toningenieur als Medienplaner beim Offenen Kanal, dem seit 1985 existierenden Medienprojekt, das den Bürgern der Stadt kostenlos die Möglichkeit gibt, unter fachkundigen Anleitung eigene Sendun-
gen zu beliebigen Themen auszustrahlen. »Nach einiger Zeit fiel mir auf, daß dort von allen möglichen Leuten in allen möglichen Sprachen gesendet wird, daß aber eine Stimme der Israelis nicht vorhanden war.« Shlomi beschloß, dies zu ändern.
Fast drei Jahre lang suchte er vergebens nach Israelis, die Lust aufs Radiomachen haben. »Ich kenne nicht so sehr viele, und die meisten sind auch nicht dauerhaft in der Stadt«, sagt er. Von denjenigen, die sich schließlich für das Projekt begeistern ließen, ist ein harter Kern von vier, fünf engagierten Leuten übriggeblieben.
Im OKB-Tonstudio mahnt ein rotes Licht zur Ruhe, Ilan Weiss liest eine selbst verfaßte Geschichte vor, die für die erste Sendung aufgenommen wird. In »Der Rocker und die Schöne« geht es um ein älteres Berliner Paar, »das sich von seiner Vergangenheit nicht trennen kann – eine ehemals schöne Frau, die nicht mehr schön ist, aber sich trotzdem noch kleidet wie ein junges Mädchen und ihren Mann, der sich wie früher in Lederhosen zwängt, nur daß jetzt sein Bauch darüber hängt.«
Klingt wie ein Paar, das man aus der Nachbarschaft kennt? Das ist durchaus so gewollt. Weiss plant eine Serie über »typische Berliner Figuren, wie sie jeder, der hier lebt, kennt«. Denn die Sendungen sollen »den Menschen schließlich etwas geben, das ihre Umgebung betrifft. »Neueste Nachrichten aus Israel brauchen sie nicht, was dort jeweils aktuell passiert, wissen sie genausogut wie wir.«
Statt dessen sind praktische Ratschläge für das Leben in Berlin im Sendekonzept vorgesehen, erzählen die Radiomacher. »Wir werden uns immer mit einem Thema beschäftigen. Das können Tips rund um Arbeitserlaubnis und Visaprobleme sein.« Außerdem soll es Kochrezepte geben. »Und wir wollen in Berlin lebende israelische Musiker interviewen – und vielleicht später auch Künstler und Schriftsteller, die in der Stadt gastieren, vors Mikrofon bitten. Wir haben ja den Vorteil, daß wir nicht live senden und deswegen zeitlich ganz flexibel sind.«
Fürs Musikalische ist Aviv Russ zuständig. Er arbeitete in Israel sechs Jahre lang als Moderator bei Radio Nord und 88FM, Nach dem Abschluß des Kunstgeschicht-Studiums an der Universität von Tel Aviv zog er mit seinem Freund nach Berlin, wo sie im vergangenen September ihre Partnerschaft offiziell registrieren ließen. Aviv wartet jetzt auf die Arbeitserlaubnis.
»Als ich den Newsletter von Weiss erhielt, dachte ich gleich, daß dies ja für mich perfekt sei«, erzählt er. Kontakte zu anderen Berliner Israelis zu bekommen und wieder Rundfunksendungen zu machen, um in Übung zu bleiben, sei schon wichtig. »In einem deutschen Sender als Moderator zu arbeiten ist aufgrund der Sprache natürlich so gut wie ausgeschlossen«, sagt der 29Jährige, »aber vielleicht kann ich ja doch hier irgendwann einen Job hinter den Kulissen bekommen, als Produzent oder Musikredakteur«.
Am wichtigsten aber sei »der Spaß«, findet Aviv, der mit Sharon Har Paz gleich auch eine Kollegin in Israel verpflichtet hat, die nun alle zwei Wochen für die Hörer Alltagsgeschichten aus der Heimat schreiben und vorlesen wird.
Der vierte Mann der Kol-Crew, Eran Levy, hat dagegen keinerlei Erfahrung mit dem Rundfunkmachen. »Aber ich habe immer davon geträumt. Und oft habe ich schon gehört, daß sich meine Stimme im Radio gut anhören würde«, sagt der 38Jährige. Nun wird auch er eigene Geschichten vorlesen.
»In erster Linie soll es Spaß machen«, sagt Shlomi, »was sich daraus dann später mal ergibt, wird sich zeigen.« Er hofft, daß die Sendung einmal die Woche als einstündiges Programm ausgestrahlt werden könne, »das ist natürlich bei allen, die mitmachen, eine Zeitfrage.«
Die einzige Voraussetzung, um auch einmal bei Kol Berlin auf Sendung gehen zu können, ist die hebräische Sprache. Der Rest, so versichern die Vier, »ist auch für Leute ohne Erfahrung und ohne technisches Vorwissen schnell gelernt.«
Infos und Sendetermine: www.okb.de