von Sabine brandes
Es ist der wohl kürzeste Wahlkampf in der Geschichte Israels. Kaum mehr als drei Wochen liegen zwischen dem Beginn der Kampagnen und der Wahl am 10. Februar. Ungewöhnlich still war es zuvor auf der politischen Bühne, im Krieg lauthals um Wählerstimmen zu buhlen, schickte sich nicht. Doch inzwischen ist das ganze Land zugepflastert mit Plakaten und Postern, allabendlich laufen die TV-Spots zur besten Sendezeit in jedem Kanal.
Viel Neues gibt es nicht bei diesen Wahlen, außer der Tatsache, dass so viele Parteien antreten wie nie, 34 an der Zahl. Darunter die großen bekannten wie die Arbeitspartei Awoda, der Likud und Kadima, die alle Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten stellen.
Oppositionsführer Netanjahu setzt auf eine harte Linie gegen die Feinde des jüdischen Staates. In einem Fernsehauftritt versprach er, sich um die doppelte Bedrohung aus Terrorismus vor der Haustür und der iranischen Gefahr kümmern zu wollen. »Ich werde die gesamte Weltöffentlichkeit davon überzeugen, dass der Iran sich nicht atomar aufrüsten darf.« Werde er gewählt, wolle er mit allen Gruppierungen im rechten Flügel des Parteienspektrums eine breite Koalition bilden.
Zwar hat der Rechtspopulist Avigdor Lieberman die Arbeitspartei in Umfra-
gen bereits abgehängt, doch Ehud Barak gibt sich nach wie vor kämpferisch. Der höchstdekorierte Soldat des Landes setzt ebenfalls auf Sicherheit und will auch im zukünftigen Kabinett Verteidigungsminis-ter sein. Kadimas Kampagnespots zeigen Netanjahu und Barak als bereits gescheiterte Ministerpräsidenten. Spitzenkandi-
datin Livni jedoch wisse, wie man es besser mache. »In zehn Jahren Politik habe ich gezeigt, dass ich anders bin als die anderen.« Sie gibt sich stets als Sauberfrau in einem Sumpf von Korruption.
»Israelis stimmen eher für den Men-
schen an der Spitze als das, wofür die Partei an sich steht«, erklärt der Politologe Reuven Hazan, »obwohl es sich in Israel um eine reine Parteiwahl handelt.« Dabei gilt die Zwei-Prozent-Hürde, doch auch diese niedrige Schwelle werden nicht alle überwinden können. Hochrechnungen gehen von 12 bis 14 Parteien aus, die letzt-endlich in die Knesset einziehen werden. »Alle anderen sind lediglich zur Unter-
haltung im Wahlkampf da«, meint Hazan scherzhaft. Darunter sind Farbtupfer wie »Die Jungen«, die sich für die Belange von Studenten und Soldaten einsetzen wollen, die Partei für die Rechte des Mannes mit dem vielsagenden Namen »Raasch« (Lärm) oder »Koach HaKessef« (Kraft des Geldes), die gegen die Macht der Banken kämpfen will. Ungewöhnlich auch der Zusam-
menschluss der Holocaust-Überlebenden mit dem »Grünen Blatt«, Letztere macht sich unter anderem für die Liberalisierung von Haschisch stark.
Wer das Rennen machen wird, ist für Hazan bereits so gut wie klar. »Höchst-
wahrscheinlich werden die rechtsgerichteten Falken gewinnen, es ist nur noch eine Frage, wie hoch.« Er geht von mindestens 60 Prozent für den Rechtsblock aus.
Mit dem Wahlergebnis am 10. Februar aber wird nicht sofort klar sein, wer die Geschicke des Landes zukünftig leiten wird. Erst der Staatspräsident wird entscheiden, wer von den führenden Parteien die Gespräche für eine Regierungsbildung leiten darf. Von einer Zusammenarbeit zwischen dem Likud und Kadima geht Hazan nicht aus. »Es ist wahrscheinlicher, dass Netanjahu Kadima in der Opposition verhungern lassen will, damit die abtrünnigen Likudniks, die damals mit Scharon Kadima gegründet hatten, wieder zurück in ihr Lager kommen und nie mehr eine Gefahr darstellen.«
Menachem Hofnung von der politikwissenschaftlichen Fakultät der Hebrä-
ischen Universität Jerusalem kennt die Gründe hinter den aktuellen Zahlen in den Umfragen: »Ist die Sicherheitslage in-
stabil, spielt das den rechten Parteien in die Hände – so ist das seit Bestehen des Staates Israel. In Zeiten von aktiven Frie-
densgesprächen und relativer Ruhe, etwa Anfang der 90er-Jahre, sind die linksgerichteten Tauben die stärkste Kraft gewesen.« Der zweite Libanonkrieg und die jüngste Militäraktion in Gasa indes hätten sich eindeutig zugunsten des Rechts-
blocks ausgewirkt, ist er überzeugt. Es habe einen richtigen Rechtsruck in der Bevölkerung gegeben. »Und damit zeigt es sich wieder: In Israel spielt das Thema ›Sicherheit‹ immer eine der wichtigsten Rollen im politischen Kampf.«