von Miryam Gümbel
Ein Vierteljahr vor der Einweihung der neuen Synagoge am Jakobsplatz fand vor einer Woche die Grundsteinlegung für den benachbarten Angerhof statt. Zwei Dinge wurden dabei deutlich: Der Wunsch nach guter Nachbarschaft und die Aufwertung des Stadtquartiers Anger inmitten der Münchner Altstadt. Die guten Beziehungen der beiden Nachbarn, dem Angerhof der Wöhr + Bauer GmbH und der Israelitischen Kultusgemeinde München (IKG), wurden sicht- und hörbar durch das Orchester Jakobsplatz. Die jungen Musiker unter Leitung des Dirigenten Daniel Grossmann wurde von Mitgliedern der IKG gegründet. Als Begegnungsstätte für jüdische und nichtjüdische professionelle junge Musiker soll es den Dialog fördern.
Nach einigen vielbeachteten Aufführungen im vergangenen und in diesem Jahr hat auch der Bauherr des Angerhofs das Ensemble für die festliche Gestaltung der Feierlichkeiten zur Grundsteinlegung gewählt. Der geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Roeck betonte in seiner Ansprache, daß mit den Nachwuchsmusikern aus aller Welt und der unterschiedlichsten Konfessionen »der Grundstein gelegt wird für eine gemeinsam gestaltete Zukunft«.
Der zweite Punkt, die städtebauliche Aufwertung des Quartiers, ist der Stadtverwaltung seit Jahrzehnten ein Anliegen. Sowohl die Fläche zwischen Stadtmuseum und Angerkloster wie der Oberanger, der sich in etwa vom Sendlinger-Tor-Platz bis fast zum Marienplatz zieht, hatten die Entwicklung der Innenstadt zur »Guten Stube« Münchens nicht nur nicht mitgemacht, sondern wurden immer wieder negativ bewertet. Mit der Planung des Jüdischen Gemeindezentrums war ein erster Schritt zur Besserung getan. Mit dem Angerhof schließt sich jetzt auch hier eine höchst gelungene städtebauliche Variante an.
Der Angerhof selbst ist ein sehr bedeutender Bestandteil der wohl umfassendsten Stadterneuerung in der Münchner Altstadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ganze Umfeld vom Sebastiansplatz über den Jakobsplatz bis zum Oberanger wird völlig neu gestaltet. Hier werden architektonisch hochwertige Gebäude den Rahmen für sehr attraktive neu gestaltete Plätze mit hoher Aufenthaltsqualität und internationaler Anziehungskraft bieten. Die neuen Plätze sind Teil eines Fußgängerzonensystems und stehen in direkter Verbindung zum Viktualienmarkt und Marienplatz. Mit dem Angerhof erlebt der Platz, durchaus passend zum Gemeindezentrum, eine Renaissance des Stadthauses.
Die Jury hatte seinerzeit den Städtebaulichen Entwurf von Otto Steidle ausgewählt. Auch wenn, wie bei den Festreden immer wieder betont wurde, der international angesehene Architekt die Realisierung nicht mehr erleben kann, werden seine Ideen doch in seinem Sinne umgesetzt. Die ursprüngliche Idee des Stadthauses wurde durch die urbane Mischung von hochwertiger Gastronomie, Büros und Wohnungen aufgegriffen und in einer horizontalen Gliederung der unterschiedlichen Bereiche umgesetzt: mit Wohnen mit Panoramablick auf den obersten Ebenen, mit Büroeinheiten in den Geschossen darunter, mit Gewerbe und Gastronomie sowie tausend Quadratmetern Innenhof für Aufenthalt, Durchgang und Events im Erdgeschoß und nicht zuletzt mit Parken für rund 430 Fahrzeuge in den Untergeschossen. Der Angerhof, so war zu hören, sei als erste Immobilie in München mit einem A-Plus-Rating bewertet worden und gilt als Premiumobjekt. Mitte 2008 wird der Angerhof fertig gestellt sein.
Trotz der hohen Qualität des eigenen Gebäudes und seiner Einzigartigkeit hinsichtlich Konzept und Lage sparte der Bauherr nicht mit Komplimenten an den Nachbarn IKG. Wolfgang Roeck hob die Leistung der anwesenden Architektin Rena Wandel-Hoefer hervor. Die Synagoge mit ihrer einmaligen Architektur werde Besucher aus aller Welt anziehen. Oberbürgermeister Christian Ude unterstrich die Lage am Jakobsplatz und am Oberanger, als er als »mehrfacher Nachbar« gratulierte. Zum einen befinde sich die Zentrale seiner Partei, der SPD, der er seit vielen Jahrzehnten angehört, gleich schräg gegenüber. In seiner Funktion als Stadtoberhaupt ist er Nachbar mit dem Stadtmuseum, demnächst mit dem Jüdischen Museum, mit dem Planungsreferat und nicht zuletzt mit der Münchner Hauptfeuerwache.
Daß sich dieses innerstädtische Quartier auch in einem größeren Umkreis in den letzten Jahren zum Positiven gewandelt habe, verdeutlichte er an markanten Bauten in Richtung Marienplatz: dem Umbau der Firma Konen, der Akzentuierung des alten Stadtturms Löwenturm durch den modernen Bau, der ihn jetzt umgibt, sowie der Neugestaltung des Areals um den Rinderbrunnen, das dem Platz gleich beim Marienplatz neue Lebens- und Aufenthaltsqualität verleihe. In Richtung Osten vom Jakobsplatz aus verbinde die neue Schrannenhalle Geschichte und Gegenwart miteinander.
Einen Ausflug in die Geschichte unternahm Stadtbaurätin Christiane Thalgott. Als Nachbarin im »Hochhaus« des Planungsreferates erwähnte sie die identische Geschoßzahl der beiden Bauwerke – allerdings gingen vier der elf Stockwerke beim Angerhof in die Tiefe. Bei den Aushubarbeiten habe sich die Geschichte dieses alten Stadtquartiers bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Erstmals seien sogar noch Hinweise auf alte Holzbauten gefunden worden. Einen Überblick über die Funde gaben Tafeln an der Wand der Baugrube. Eine Ausstellung soll sie demnächst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen.
Christiane Thalgott dankte den Bauarbeitern und den Archäologen, die hier Hand in Hand gearbeitet haben, um Wissenschaft und Baufortschritt in Einklang zu bringen. Die Ergebnisse mit entsprechenden Materialfunden und vielen Münzen bestätigten das Wissen um Jakobsplatz und Anger als Gewerbegebiet im Mittelalter. Von der Jakobskirche am Anger aus seien die Wallfahrtszüge nach Santiago de Compostella aufgebrochen – ausgestattet mit Würfeln zur Unterhaltung und Rosenkränzen zum Beten, wie sie ebenfalls im Erdreich gefunden wurden.
Für das beachbarte Angerkloster überreichte die Provinzialoberin des Ordens der Armen Schulschwestern, Schwester M. Salome Strasser, einen Rosenkranz. Er wurde ebenso in den Grundstein mit eingemauert wie eine Medaille mit einer Abbildung des neuen Gemeindezentrums, die Vizepräsident Marian Offman in Vertretung von Gemeindepräsidentin Charlotte Knobloch überreichte. Als weitere Vertreter der IKG wurden Vizepräsident Yehoshua Chmiel sowie die Vorstandsmitglieder Anita Kaminski und Abi Pitum begrüßt. Nach der Grundsteinlegung und dem kirchlichen Segen diskutierten die Gäste noch lange über das neue Stadtquartier und seine vielfältigen Angebote.