Rundgang

Auf dunklen Pfaden

von Marina Maisel

Als Ergänzung der Reihe KulturGeschichtsPfade hat das Kulturreferat der Landeshauptstadt den ThemenGeschichtsPfad »Der Nationalsozialismus in München« herausgebracht. Die Stadt zeigt sich darin ihrer »besonderen Verpflichtung bewußt, aktiv an die Zeit des Nationalsozialismus und an seine Verbrechen zu erinnern«, schreibt Oberbürgermeister Christian Ude in seinem Vorwort.
Spuren dieses traurigen Kapitels der deutschen und Münchner Geschichte findet man an vielen Stellen in der Stadt, vor allem zwischen dem Marien- und Königsplatz. In den 20er Jahren begann von München aus der Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung. Im Münchener Hof- bräuhaus wurde die Deutsche Arbeiterpartei auf einer Massenversammlung in Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) umbenannt. Hitler begann damals schon in München als populistischer Agitator zu wirken. An seinen mißglückten Putschversuch im November 1923 erinnern die Residenzstraße und die Feldherrnhalle. Hier endete kläglich, was Hitler großspurig als »Marsch auf Berlin« angekündigt hatte. In den 30er Jahren aber, als Hitler schließlich die Macht erobert hatte, stand neben der Feldherrnhalle eine »Ehrenwache« zum Andenken an die Opfer des Putschversuches und vorbeigehende Passanten erhoben die rechte Hand zum »Hitlergruß«.
Mehr als siebzig Jahre später präsentieren hier das Kulturreferat und das Stadtarchiv ihr jüngstes Projekt, den ThemenGeschichtsPfad »Der Nationalsozialismus in München«. Beim ersten Rundgang durch die düstere Vergangenheit führten drei Historiker, die das Projekt maßgeblich mit entwickelt hatten, die Teilnehmer. In Zukunft soll eine kleine Broschüre diese Funktion übernehmen.
In dieser sind in einem Übersichtsplan mit Ortsregister die wichtigsten Stationen des Rundgangs markiert. Alte Fotodokumente ergänzen die Beschreibungen der historischen Objekte. Darüber hinaus ist noch eine Audioversion erhältlich, die zusätzliche Informationen, Kommentare und Aussagen von Zeitzeugen und Wissenschaftlern über Kopfhörer gibt.
Horst Konietzny, Autor des Konzeptes und Verantwortlicher für die Audioversion, bedankte sich in seiner Rede anläßlich der Projektpräsentation bei allen Interviewpartnern für ihre wertvollen Bei-
träge. Und die sind durchaus auch kritisch mit manchen Formen der Vergangenheitsbewältigung. Zum Beispiel der 1932 geborene Ernst Grube. Er verbrachte seine Kindheit als Sohn einer jüdischen Mutter in München und wurde 1945 nach Theresienstadt deportiert. Am Platz der Opfer des Nationalsozialismus sagt er: »Den Platz können Sie doch vergessen. Da gibt es noch nicht einmal eine Hausnummer. Das ist ein Platz ohne Häuser.« Schräg gegenüber steht heute die Bayerische Landesbank. »Dort war früher das Wittelsbacher Palais«, so Grube weiter, »die Folter- kammer der Münchner Gestapo. Dort sind wir als Kinder, als wir noch im Februar 45 deportiert wurden, hingebracht worden. Das war die letzte Station und von dort aus ging es weg.«
An der Bayerischen Landesbank in der Brienner Straße finden die Teilnehmer des Rundgangs dann eine kleine Tafel, die an das Wittelsbacher Palais erinnert, wo 1933 die Bayrische Politische Polizei, später die Gestapozentrale residierte – die regionale Terrorzentrale des Naziregimes.
Auf dem Weg zum Karolinenplatz zeugen einige weitere Häuser von der schrecklichen Geschichte. Das heutige Oberösterreich Haus ist zum Beispiel das ehemalige »Haus der deutschen Ärzte«. 1933 wurde jüdischen Ärzten die Kassenentlassung entzogen. Von 1938 an durften sie nur noch als »Krankenbehandler« für jüdische Patienten tätig werden. Gegenüber, in der Brienner Straße 26, steht das ehemalige Geschäfts- und Wohnhaus des jüdischen Antiquars Jacques Rosenthal, das von der Organisation KdF, »Kraft durch Freude«, 1935 »übernommen« wurde.
Über den Karolinenplatz führt der Weg weiter zum Königsplatz. Die gigantische Nazi-Maschinerie belegte fast alle Häuser in der Gegend mit Schlüsselämtern der NSDAP und NS-Bürokratie. Das Umfeld des Königsplatzes wurde zum zentralen Parteiviertel, in dem in über 50 Gebäuden über 6.000 Mitarbeiter beschäftigt waren. Die Spuren der sogenannten Arisierung tragen heute noch das Oberfinanzpräsidium München in der Sophienstraße 6 und das Hauptamt für Kommunalpolitik der NSDAP in der Gabelsbergerstraße. Die Macht der »Ariseure« richtete sich auf privates, jüdisches Vermögen und seine Institutionen. Das Modell-Haus Adolf Rothschild in der Brienner Straße 52 hatte ein ebensolches Schicksal. In weiteren Straßenzügen lassen sich Hinweise auf die Kristallnacht, auf organisierte Bücherverbrennungen, aber auch auf den kirchlichen Widerstand finden.
Eine Sache ist es, in Geschichtsbüchern abstrakt über die dunklen Seiten der Münchner Geschichte, über die »Hauptstadt der Bewegung« oder später die »Hauptstadt der Deutschen Kunst« zu lesen. Eine andere Sache ist es, selbst auf den Spuren dieser unrühmlichen Geschichte zu wandeln und sich dem auszusetzen, was die steinernen Zeugen nicht vergessen lassen. Daß eine solche Form der »hautnahen« Geschichtsvermittlung, die München in den KulturGeschichtsPfaden bereits erfolgreich prakti-
ziert, auch auf die Zeit des NS-Terrors angewandt wird, ist das Verdienst und die Chance des ThemenGeschichtsPfads.
Für München soll es nicht bei diesem einen ThemenGeschichtsPfad bleiben. Im Jahr 2001 faßte die Landeshauptstadt München und halbes Jahr später der Bayrische Landtag den Beschluß, in München ein NS-Dokumentationszentrum zu schaffen. Stadtrat Michael Leonhart betonte: »München soll in Zukunft ein zentraler Ort in der deutschen Erinnerungslandschaft werden. Auf dem Gelände des ehemaligen ›Braunen Hauses’ wird ein Dokumentationszentrum errichtet. Unser Ziel ist es, daß im Jahr 2008 zum 850. Stadtgeburtstag die Grundsteinlegung erfolgen kann.«

Die Broschüre ist in der Stadtinformation am Marienplatz sowie im Kulturreferat erhältlich. Broschüre und Übersichtsplan sowie eine erweiterte Audioversion können im Internet heruntergeladen werden unter
www.muenchen.de/ns-dokumentationszentrum

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