Pessach ist das Fest des Auszugs aus Ägypten. An Pessach feiern wir die Befreiung unseres Volkes aus dem Frondienst für die ägyptischen Pharaonen. Nach Jahren der Knechtschaft brach damit eine neue Epoche an: Hunderttausende von Sklaven wurden ein freies Volk und hielten Einzug in die Weltgemeinschaft.
Trotzdem ist es uns bis zum heutigen Tag nicht immer möglich, diese Freiheit unbehelligt und sorglos zu leben. Antidemokratische Tendenzen in Politik und Gesellschaft geben Anlaß zur Sorge: In München etwa planen die rechtsextremen Par- teien ihren Zusammenschluß und wollen als radikales Bündnis zur Stadtratswahl 2008 antreten. Der Künstler Wolfram P. Kastner wurde vom Bayerischen Oberlandesgericht verurteilt, weil er die Schleife am Kranz der Veteranen der Waffen-SS auf dem Salzburger Friedhof zerschnitten hat. Neonazismus ist also kein exklusives Phänomen der neuen Bundesländer, sondern entspringt der Mitte der Gesellschaft. Auch unsere Familien und Freunde in Israel sind keineswegs sicher. Der Wahlsieg der militanten Palästinenserorganisation Hamas ist beunruhigend und erschwert den Friedensprozeß im Nahen Osten.
Gleichzeitig gibt es Entwicklungen, die mich hoffnungsvoll stimmen: Nicht mehr lange, und wir werden unsere vertrauten, aber im Laufe der Jahre zu eng gewordenen Gemeinderäume verlassen, um in die Stadtmitte Münchens zurückzukehren. Nach Jahrzehnten im Verborgenen zeigt die Israelitische Kultusgemeinde nun wieder Präsenz und Selbstbewußtsein. Mit dem Umzug an den Jakobsplatz signalisieren wir, daß Juden ein selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft sind und daß wir uns nicht zu verstecken brauchen. Angesichts der Bedrohung durch rechtsextremistisches Gedankengut ist dies ein wichtiges Zeichen. Alle Demokraten müssen den Verfassungsfeinden die Stirn bieten und deutlich machen, daß wir uns unseren Platz nicht streitig machen lassen.
Auch aus Israel vernehmen wir Neuigkeiten. Mit dem Wahlsieg der Partei Kadima wird Ehud Olmert dem kranken Ariel Scharon in das Amt des Ministerpräsidenten nachfolgen. Scharon hat in seiner Zeit als Regierungschef der ganzen Welt bewiesen, daß es Israel ernst ist mit dem Frieden in Nahost. So ernst, daß das Land und seine Menschen sogar bereit sind, berechtigte Ansprüche abzutreten, wenn es langfristig dem Frieden dient. Leider ist es dem großen Staatsmann nicht mehr vergönnt gewesen, die Erfolge seines Wirkens zu genießen. Wir wünschen jedoch, daß es ihm bald besser gehen möge. Ehud Olmert wird den von Scharon eingeschlagenen Weg weitergehen. Ich bin zuversichtlich, daß damit der Traum eines Israels in sicheren Grenzen ein Stück näher rückt.
Pessach wird auch Chag Ha’Cherut, Fest der Freiheit, genannt. Heute genießen wir diese Freiheit – sind aber auch jederzeit bereit, sie zu verteidigen. In Deutschland und in Israel.
Der gesamten jüdischen Gemeinschaft und ganz besonders den Bewohnern unseres Eisenberg-Seniorenheims wünsche ich – auch im Namen meiner Vorstandskollegen – Pessach kascher we sameach.
Grußwort