von Kilian Kirchgessner
Prag rüstet sich für das kommende Wochenende zu einem Zusammenstoß zwischen mehreren Hundert Neonazis und zahlreichen Gegendemonstranten. Für Samstag, den Jahrestag der Novemberpogrome von 1938, haben tschechische Rechtsextremisten zu einem Marsch durch das jüdische Viertel der Stadt aufgerufen. Offiziell richtet sich die Demonstration gegen die tschechische Beteiligung am Irakkrieg. Beobachter rechnen mit der Teilnahme von Nazi-Gruppen aus dem Ausland, darunter auch deutsche Skinheads.
In Sicherheitskreisen wird befürchtet, dass es zwischen den Rechten und ihren Gegnern zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. So hat die tschechische Jüdische Liberale Union (Zidovská liberální unie, ZLU) ihren Aufruf zu Gegendemonstrationen besonders an »junge, gesunde Sportler und Soldaten« adressiert und kündigt »aktiven Widerstand« an. In einer Stellungnahme schreiben die Vertreter der ZLU: »Wir werden die Neonazigruppen nicht angreifen. Wir sind aber entschlossen, ihnen den Weg in die Straßen des jüdischen Viertels zu versperren – auch um den Preis körperlicher Auseinandersetzungen.«
Veranstalter der Nazi-Demo sind die »Jungen Nationaldemokraten« um ihren Anführer Erik Sedlacek. Die geplante Marschroute führt am Sitz der jüdischen Gemeinde, der Spanischen Synagoge und an zahlreichen weiteren jüdischen Denkmälern vorbei. »Wir schätzen, dass sich 500 tschechische und 200 ausländische Neonazis versammeln«, sagt Ondrej Cakl von der Bürgerrechtsbewegung »Tolerance«. Sein Bündnis ruft gemeinsam mit der Prager Jüdischen Gemeinde, dem Dachverband der jüdischen Gemeinden in Tschechien und zahlreichen weiteren Organisationen ebenfalls zu einer Gegendemonstra- tion auf. Für den Nachmittag ist eine Großkundgebung der Nazigegner auf dem Altstädter Ring im Zentrum Prags geplant, zu der hochrangige Politiker und Intellektuelle ihre Teilnahme zugesagt haben. Inzwischen haben sich auch Staatspräsident Václav Klaus und der Prager Kardinal Miloslav Vlk eingeschaltet und dazu aufgerufen, den Nazi-Aufmarsch nicht hinzunehmen.
Ob die Neonazis für ihren Aufmarsch eine Genehmigung bekommen, wird sich erst kurz vor der geplanten Veranstaltung entscheiden. Die Stadt versucht, den Aufmarsch wegen eines Verfahrensfehlers zu verhindern: Als die Jungen Nationaldemokraten die vermeintliche Demonstration anmeldeten, sei ihre Organisation noch nicht offiziell registriert gewesen. Der Antrag sei deshalb nicht rechtsgültig.