»Auch Amerika ist gefährdet«
Robert O. Paxton
über Faschismus
früher und heute
Herr Paxton, was ist neu an Ihrem Ansatz der Faschismusforschung?
paxton: Viele Autoren versuchen zunächst den Begriff »Faschismus« zu definieren und dann die historische Wirklichkeit auf diesen Begriff anzuwenden. Ich gehe den umgekehrten Weg: Ich beschreibe zunächst, was sich in erfolgreichen und gescheiterten faschistischen Bewegungen abgespielt hat und versuche daraus den Begriff abzuleiten.
Das bedeutet die Abkehr von ideologischen Erklärungsansätzen.
paxton: Ich gehe nicht von den Programmen der Faschisten aus, sondern von ihren Handlungen. Die kann man messen, unter ihnen haben die Menschen und Völker gelitten. Dabei ergibt sich zwangsläufig die Abkehr von einem statischen, ideologischen Modell des Faschismus.
Sie teilen den Faschismus dabei in verschiedene Entwicklungsstufen ein.
paxton: Ja, ich habe fünf Entwicklungsstufen festgestellt: Entstehen einer faschistischen Bewegung, Wurzeln schlagen, Übernahme der Macht, An der Macht und als Langfristbetrachtung die Alternative Radikalisierung oder Entropie. Für gegenwärtige Prozesse kann man damit besser einordnen, ob und in welchem Stadium sich eine faschistische Entwicklung befindet.
Womit wir bei der Gegenwart sind. Am Ende Ihres Buches schreiben Sie über aktuelle faschistische Erscheinungen. Wo sehen Sie die?
paxton: In Rußland, Italien und den USA, in dieser Reihenfolge. Wenn die Franzosen ihr Immigrantenproblem nicht in der Griff bekommen, auch dort. Rußland vor allem, weil die Erwartungshaltung der Bevölkerung auf einen starken Retter gerichtet zu sein scheint. Italien, weil die Aushebelung des Rechtsstaates im Interesse einer wirtschaftlich und mächtigen Oligarchie weit vorangeschritten ist und die USA, weil die dramatische Beschneidung der Freiheitsrechte verheerend wirkt. Die für einen Faschismus notwendigen Feindbilder würden in den USA Schwarze, Latinos und natürlich Muslime abgeben, in Europa würde es weniger Antisemitismus als eine Polarisierung gegen die muslimischen Einwanderer geben.
Das Gespräch führte Harald Loch.
Foto: M. Herrmann